Die politische Karte Deutschlands hat sich rot gefärbt. Das Kanzleramt liegt in Griffweite. Was kann Olaf Scholz noch auf seinem Weg an die Spitze aufhalten?
Der Mann, der gerade Europa verblüfft hat, blickt auf den Boden. Es wirkt, als würde er seine Gedanken erst sammeln müssen, bevor er eine Frage beantwortet. Montagmittag, Willy-Brandt-Haus, Berlin. Olaf Scholz gibt seine erste Pressekonferenz als Wahlsieger. Die Sitzreihen sind gut gefüllt, Dutzende Kameras auf ihn gerichtet. Es wird so viel auf Englisch gefragt, dass ein deutscher Reporter mit den Worten „zur Abwechslung einmal eine Frage auf Deutsch“ beginnt.
Der 63-jährige Hamburger Olaf Scholz ist nicht nur in Deutschland der Mann der Stunde. Journalisten aus der ganzen Welt wollen von ihm wissen, wie es nun weitergeht. Wie er an das Erbe von Angela Merkel anknüpfen will. Was der SPD-Sieg, der auch in großem Maße seiner ist, für Europa bedeuten könnte. Und mit wem er regieren kann. Nach den meisten Fragen blickt Olaf Scholz kurz auf den Boden.
Einen Abend zuvor stieg in der siebenstöckigen SPD-Parteizentrale eine Party. Im Hof spielte eine Band mit E-Gitarren, die Partei hatte weiße Partyzelte aufstellen lassen. Dort gab es Currywurst – der ehemalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder (1998 bis 2005) hatte diese einmal als den „Kraftriegel des Facharbeiters“ bezeichnet.
Launige Sprüche sind von Scholz nicht zu erwarten. Trotzdem muss sich der sachliche Hamburger keine Sorgen um seine Beliebtheit bei den Mitstreitern machen. „Der Wahlsieg ist vor allem dem herausragenden Kanzlerkandidaten geschuldet“, sagte der niedersächsische Ministerpräsident und SPD-Vizechef Stephan Weil zur „Presse“. Die Analysen der Wahlforschungsinstitute stützen diese Deutung: Wer sich für die SPD entschied, tat das oft wegen des Spitzenkandidaten. Genau so hatte es die Partei plakatiert: „Wer Scholz will, muss SPD wählen.“ Am Ende blieb der rote Balken bei 25,7 Prozent stehen, vor ein paar Wochen noch lag die SPD bei 15.