Landtagswahl

Wie MFG im Netz auf Wählerfang ging

MFG-Spitzenkandidat Joachim Aigner (rechts) und Gerhard Pöttler, Finanzreferent der Partei, feiern den Einzug in den Landtag.
MFG-Spitzenkandidat Joachim Aigner (rechts) und Gerhard Pöttler, Finanzreferent der Partei, feiern den Einzug in den Landtag.APA/TEAM FOTOKERSCHI
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Der Aufstieg der neuen Partei zeigt die Macht der Mobilisierung in sozialen Medien.

„Das Einzige, das ich nie machen wollte, war Politik.“ Dieser Satz stammt von Joachim Aigner. Er wird in den nächsten sechs Jahren im oberösterreichischen Landtag sitzen. Mit zwei anderen Plötzlich-Politikern. Gemeinsam sind sie zur Landtagswahl angetreten und haben für eine Sensation gesorgt. Ihre neue Partei, MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte), hat den Einzug in den Landtag mehr als souverän geschafft.

Der Aufstieg dieser Partei ist ein spannendes Phänomen. Ohne Corona hätte es MFG nicht gegeben und Spitzenkandidat Joachim Aigner, einen Steuerberater, nie in die Politik gezogen. Erst im Februar wurde die Partei gegründet. Sie ist eine impfskeptische und Corona-Maßnahmen-kritische Bewegung. Einen so raschen Aufstieg wie den der MFG hätten sie, sagten Meinungsforscher, noch nie gesehen.

Die Partei lebt von Facebook

„Man sieht hier die Macht der Mobilisierung auf Social Media“, sagt Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig zur „Presse“. Eine Partei wie MFG lebe von Facebook. Hier könne die Masse angesprochen werden. In den Wochen vor der Wahl habe man einen starken Anstieg bei den Likes, Shares und Videoaufrufen gesehen. Zugleich hat die Partei auf Telegram gesetzt, einen Messaging-Dienst mit offen einsehbaren Chatgruppen. Hier werde die kleinere Gruppe der bereitsÜberzeugten mobilisiert.

Im Wahlkampf ist das beobachtbar gewesen. Die Parteisympathisanten haben sich in Chatgruppen zum Flyerverteilen verabredet und Plakatsujets verschickt. Die Bögen wurden dann selbst geklebt. Entlang der Straßen in Oberösterreich hat man enorm viele, wenn auch kleine MFG-Plakate gesehen. Einen großen Geldgeber hat es laut Partei nicht gegeben. Die Mitglieder haben gespendet. 4000 sind es. Sie entrichten einen Beitrag von 35 Euro. Insgesamt wurden für die Wahl 100.000 Euro ausgegeben.

Inhaltlicher Schwerpunkt der Partei ist die Kritik an den Corona-Maßnahmen. Parteimitglieder sprachen sich im Wahlkampf etwa gegen den „PCR-Test-Wahnsinn“ und die „gesundheits- und umweltschädlichen“ Nasenbohrertests aus und plädierten für die Beendigung aller Corona-Maßnahmen. Die Impfung sei eine „groß angelegte experimentelle Studie“. Wobei sich MFG nicht als Impfgegner-Partei sieht, sondern als Impfzwang-Gegnerpartei.

Die Tonalität verändert sich aber abhängig von der Plattform. Auf der eigenen Homepage tritt man auf den ersten Blick seriöser als in den sozialen Medien auf. Von Mitgliedern der Telegramgruppe werden Artikel mit Titeln wie „US-Corona-Forscher vor FDA: ,Pfizer-Impfstoff tötet mehr Menschen, als er rettet'“ geteilt und Videos über ominöse Netzwerke verbreitet.

Die Partei würde „fragwürdige bis falsche“ Behauptungen zu Corona streuen und „Verschwörungserzählungen“ auf Telegram zumindest nicht entgegentreten, sagt Brodnig. So habe MFG eine Falschmeldung zu Corona-Todeszahlen verbreitet. Man hat hier nicht auf die Todeszahlen, sondern auf Verdachtszahlen zurückgegriffen.

Stimmen kamen von FPÖ, ÖVP

Am Sonntag konnte MFG 6,2 Prozent der Wähler gewinnen. In den Gemeinden, in denen die Durchimpfungsrate geringer ist, wurden mehr Stimmen als in anderen geholt. Die meisten MFG-Wähler haben 2015 noch FPÖ gewählt (32%). Viele aber auch ÖVP (31%).

Am Wahlabend trieb die etablierten Parteien in Linz eine Frage um: Was wird MFG nach der Pandemie tun? Welche Positionen vertreten? So manches kann man – wenn auch nicht detailliert – im Programm lesen. MFG tritt für die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in Kammern, die Erhöhung der Notstandshilfe und Mindestsicherung und den Erhalt des Bargeldes auf. Besonders will man sich um das Thema Bildung kümmern. So wünscht sich MFG einen Rechtsunterricht in der Schule. Denn würden die Bürger um ihre Rechte wissen, würde es einen Zustand wie heute nicht geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2021)

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