Interview

Elke Kahr: "Ich bin keine große Ikonenanhängerin"

Elke Kahr (59) ist die Wahlsiegerin von Graz und könnte künftig eine rot-rot-grüne Koalition bilden.
Elke Kahr (59) ist die Wahlsiegerin von Graz und könnte künftig eine rot-rot-grüne Koalition bilden.Heinz Tesarek / picturedesk.com
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Die voraussichtlich nächste Grazer Bürgermeisterin will als Kommunistin die Demokratie ausbauen. Der Name KPÖ sei aber zeitgemäß. Bevor man im Bund erfolgreich sein könne, müsse man sich in den Gemeinden beweisen.

Die Presse: Was wird unter einer KPÖ-Bürgermeisterin Elke Kahr anders werden in Graz?

Elke Kahr: Die Demokratie innerhalb des Gemeinderats und das Soziale soll eine noch eine größere Bedeutung bekommen. Da geht es um viele Bereiche. Die Gebühren und Tarife sollen nicht jedes Jahr erhöht werden. Und vor allem sollen die Besetzungen im öffentlichen Dienst transparent und unabhängig von der Stadtpolitik erfolgen. Und die Parteienförderung soll gesenkt werden.

Ist die Idee einer U-Bahn in Graz mit Ihrem Wahlsieg Geschichte, bevor die Planung richtig begonnen hat?

Die Expertengruppe wird einen Bericht an die Politik liefern. Da aber Parteien wie wir oder die Grünen Zugewinne verzeichnen konnten, kann ich mir nicht vorstellen, dass man noch an der U-Bahn festhält. Es gibt eine klare Mehrheit für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, aber nicht für eine Metro.

Sie haben vorher betont, wie wichtig Ihnen der Ausbau der Demokratie ist. Aber wie passen Kommunismus und Demokratie denn zusammen?

In Graz und in der Steiermark sehr gut, weil wir das seit Jahrzehnten vorbildhaft leben. Egal, in welcher Situation wir waren, wir sindimmer dafür eingetreten, dass jede Partei, die im Gemeinderat ist, mit Sitz und Stimme in Ausschüssen vertreten sein muss. Und dass den Vorsitz in den Ausschüssen nicht immer nur jene haben sollen, die die Koalition bilden.

Sie sind Anfang der 1980er Jahre zur KPÖ gestoßen. Waren Sie damals auch schon Demokratin?

Ich bin in erster Linie immer ein Mensch gewesen. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Bei uns haben Freundlichkeit, Respekt und Solidarität immer einen hohen Stellenwert gehabt. Und das ist der Grund gewesen, warum ich auf der Suche nach einer Partei war, wo das gelebt wird. Und das habe ich in der KPÖ Graz gefunden.

Haben Sie damals noch gehofft, dass die Ideologie des Ostens, wo der Kommunismus herrschte, über die Ideologie des Westens siegt?

Nein, überhaupt nicht. Da merkt man, dass Sie uns nicht kennen.

Ich kenne die Grazer KPÖ, aber diese Frage muss man bei einer kommunistischen Partei schon stellen können.

Ja, ist schon in Ordnung. Aber ich bin nicht wegen der Politik in irgendeinem anderen Land zur KPÖ gegangen. Ich bin zur KPÖ gegangen, weil ich aus einer Arbeiterfamilie komme und die Leute, die arbeiten, in den Mittelpunkt gestellt gehören. Ich habe eine Partei gesucht, die das glaubwürdig verkörpert. Ich bin keine große Ikonenanhängerin von irgendetwas. Es gibt in der KPÖ so großartige Menschen, die für soziale Gerechtigkeit stehen, da muss man nicht in die Ferne schweifen.

Warum bleiben Sie dann aber beim Namen „Kommunistische Partei“, wenn Ihnen Demokratie so wichtig ist? Haben Sie nie überlegt, sich umzubenennen und eine neue linke Partei zu gründen?

Die KPÖ ist aber die einzige Partei in Österreich, die die Interessen der arbeitenden Leute immer glaubwürdig vertreten hat, die eine Antikriegspartei ist, die für die Neutralität Österreichs gekämpft hat, die eine klar antifaschistische Partei ist, die keine Menschen ausschließt.

Aber ist der Name „Kommunistische Partei“ noch zeitgemäß?

Von den Inhalten her, von dem her, was das Ziel ist, ist er zeitgemäß. Das, was andere aus dem Namen gemacht haben oder in irgendwelchen anderen Ländern vertreten haben, hat nichts mit dem zu tun, was die KPÖ in Österreich vertritt.

Wenn Sie in Graz so erfolgreich sind, wäre dann nicht auch die Bundespolitik etwas für Sie?

Man muss zuerst dort Terrain finden, wo man lebt. Der Aufbau kann immer nur von unten erfolgen. Wir müssen in den Städten, Gemeinden und Betrieben zeigen, dass wir eine Partei sind, die da ist für die Leute. Wenn das Vertrauen hergestellt ist, dann kann man sich die nächste Frage stellen.

Aber würde die Bundespolitik Sie persönlich reizen?

Nein, dafür bin ich schon viel zu alt. Ich werde heuer 60 und habe nie nach Höherem gestrebt. Ich bin ja auch nicht zur KPÖ gegangen, um Bürgermeisterin zu werden.

Die entscheidenden Gesetze werden aber im Bund gemacht. Welche Gesetze sollte man dort Ihrer Meinung nach ändern, etwa im Wohnbereich, der Ihnen sehr wichtig ist?

Die Maklerprovison soll man endlich abschaffen. Provision soll der zahlen, der den Auftrag gibt. Das ist in der Regel der Vermieter. Man soll gesetzliche Mietobergrenzen einführen und Kommunen mehr Geld geben, damit sie mehr kommunalen Wohnbau schaffen können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2021)

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