Ernest Kaltenegger und Elke Kahr: Freude bei der Grazer KPÖ
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Mitreden: Wie kommunistisch ist Graz?

In Graz konnte die KPÖ das Bürgermeisteramt erobern. Für viele war es eine Überraschung, doch die Wähler der steirischen Landeshaupstadt galten schon immer unberechenbar. Was sagen Sie zum Wahlausgang? Diskutieren Sie mit!

Für viele, nicht zuletzt für den langjährigen ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl, lieferte Graz die Überraschung des vergangenen Wahlsonntags. Denn während die KPÖ im traditionell linken Wien ein Schattendasein führt wählte die zweitgrößte Stadt Österreichs die Kommunisten glatt auf Platz eins. Spitzenkandidatin Elke Kahr dürfte damit Bürgermeisterin der steirischen Landeshauptstadt werden.

Das Ergebnis legt nahe, dass auch Bürgerliche die KPÖ gewählt haben. Denn sie erhielt in den Villengegenden östlich der Mur viele Stimmen. „Die KPÖ tritt in Graz wenig ideologisch auf, während sie gerade in sozialen Fragen mit Glaubwürdigkeit punkten kann“, schreibt Philipp Aichinger in einer Analyse. Zur Popularität trägt  auch bei, dass die KPÖ-Politiker grundsätzlich einen beträchtlichen Teil ihres Verdiensts spenden. InnenpolitikchefOliver Pink kommentiert nach der Wahl: „Mit den alten leninistischen Hammer-und-Sichel-Kommunisten hat die Grazer KPÖ wenig zu tun. Sie bietet vielmehr für gelangweilte bzw. sozial engagierte Bürgerliche die Möglichkeit zur gepflegten Provokation. Mit allen möglichen Konsequenzen“.

Die KPÖ ist in der steirischen Hauptstadt schon lange erfolgreich und im Stadtrat vertreten. Elke Kahr konnte den Erfolgskurs ihres Vorgängers Ernest Kaltenegger fortführen, zuletzt auch im schwierigen Verkehrsressort. Ein Porträt der kommunistischen Politikerin hat Kollegin Eva Walisch für die „Presse“ geschrieben. Titel: „Wie sich eine Marxistin als Sozialarbeiterin gibt“.

Der KPÖ beigetreten ist Kahr noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs. Die damalige Ideologie des Ostens habe sie sich aber nicht in Österreich gewünscht, meint sie: „Ich bin nicht wegen der Politik in irgendeinem anderen Land zur KPÖ gegangen. Ich bin zur KPÖ gegangen, weil ich aus einer Arbeiterfamilie komme und die Leute, die arbeiten, in den Mittelpunkt gestellt gehören. Ich habe eine Partei gesucht, die das glaubwürdig verkörpert“, so Kahr im „Presse"-Interview. Dass sie ungern etwas zur (kommunistischen) Politik außerhalb der Stadtgrenzen sagt, zeigt auch Kahrs Auftritt in der „ZIB 2“, wie Rosa Schmidt-Vierthaler in einer TV-Notiz schreibt.

Kahr besetzt politisch aber ein wichtiges kommunales Thema: den Wohnbau. Wohnen in Graz ist im Schnitt teurer als in Wien – obwohl die freien Mieten in der Bundeshauptstadt deutlich höher liegen. Der Anteil der frei finanzierte Wohnungen ist in Graz nämlich deutlich höher, wie Wirtschaftsredakteur Jakob Zirm schreibt.

Übrigens: Wie so viele hat auch Gastkommentator Hans Winkler, langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“, den Wahlsieg der KPÖ nicht kommen sehen. Kurz vor der Wahl schrieb er noch, Nagl habe keine Konkurrenz. Er schrieb aber auch mit Verweis auf frühe Erfolge von Grünen und FPÖ: „Als Wähler haben sich die Grazer die Reputation einer gewissen Unberechenbarkeit erworben.“ Und er fügte hinzu: „Graz dürfte die einzige Stadt der Welt sein, wo Kommunisten bei freien Wahlen gewählt werden“.

(sk)

Diskutieren Sie mit: Was halten Sie vom Wahlausgang? Was wird sich unter Bürgermeisterin Elke Kahr ändern? Sind die Kommunisten in Österreich für Sie eine wählbare Partei? Und: Was können andere Parteien vom Erfolg der KPÖ in Graz lernen?

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