Gastkommentar

Was uns das deutsche Wahlergebnis sagt

Es bleibt auch nach der Wahl ein Triell. Ampel oder Jamaika? Welches Trio wird künftig in Deutschland regieren?
Es bleibt auch nach der Wahl ein Triell. Ampel oder Jamaika? Welches Trio wird künftig in Deutschland regieren?APA/dpa-Pool/Michael Kappeler
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Demokratie lebt vom Wechsel. In Deutschland zeigt sich: Die linke Mitte gewinnt, die Ränder rechts und links verlieren.

Eine erste Analyse des Resultats der Bundestagswahl lässt sich in fünf Punkten zusammenfassen:

1. Die Aufsplitterung des Parteiensystems setzt sich fort. Diese Tendenz ist seit drei Jahrzehnten in Europa feststellbar und hat mit einem Rückgang der politischen Lagerbildung zu tun, was zu einem Anstieg der Wechselwähler führt. Für die einst großen Volksparteien der Mitte wird es immer schwerer, bei Wahlen mehr als 30 Prozent der Stimmen zu bekommen. Die Sozialdemokraten haben dies längst zu spüren bekommen, jetzt auch die deutschen Christdemokraten.

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2. Sozialdemokraten können Wahlen gewinnen. Es war in den letzten Jahren geradezu modern, die sozialdemokratischen Parteien, die stark an Zuspruch verloren hatten, für die Zukunft abzuschreiben. Aber nachdem im Vorjahr die US-Demokraten unter Joe Biden bei der Präsidentenwahl mit einem stark von den Ideen der europäischen Sozialdemokratie geprägten Programm gepunktet hatten, landeten nun kurz nach dem Wahlerfolg der norwegischen Arbeiterpartei auch Olaf Scholz und seine SPD einen Sieg. Noch im Sommer lag die SPD in Umfragen bei gerade fünfzehn Prozent, und kaum jemand traute ihr zu, bei der Bundestagswahl auf Platz eins zu landen, während die Grünen mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock von der Klimathematik befeuert die Union mit deren Frontmann, Armin Laschet, herausforderten. Der folgende rasante Aufstieg der SPD gelang nicht nur infolge der Fehler ihrer Mitbewerber, sondern auch durch einen professionellen Wahlkampf mit dem als „Langweiler“ geschmähten Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten und einem klassisch sozialdemokratischen Programm (Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro, erschwingliche Wohnungsmieten, Rentengarantie, steuerliche Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen bei Höherbelastung von Großverdienern) und nicht zuletzt durch innerparteiliche Geschlossenheit. Während die veröffentlichte Meinung Scholz jedwedes Charisma absprach, honorierten die Wähler dessen in vielen Ämtern (u. a. Hamburger Bürgermeister, Finanzminister und Vizekanzler) erprobten Pragmatismus, den er in drei siegreichen TV-Konfrontationen zur Schau stellte. Die Warnung der Union vor einem „Linksruck“ verfing bei den Wählern nicht.

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