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Ein Selfie als Anfangspunkt für FDP und Grüne

Ein ikonisches Selfie: Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck trafen sich mit FDP-Chef Christian Lindner und Generalsekretär Volker Wissing.
Ein ikonisches Selfie: Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck trafen sich mit FDP-Chef Christian Lindner und Generalsekretär Volker Wissing. (c) Reuters (Instagram)
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Die Spitzen der beiden Parteien führten schon Mittwochabend erste Vorgespräche, bevor sie mit SPD oder Union sprechen. Kommuniziert wurde synchron über Instagram.

Nach der deutschen Bundestagswahl haben die Spitzen von Grünen und FDP überraschend schon am Dienstag erste Vorgespräche über eine gemeinsame Regierungsbeteiligung geführt. Grüne und Liberale könnten sowohl eine Ampelkoalition mit der SPD als auch ein Bündnis mit der Union eingehen. Allerdings hat die SPD mit Olaf Scholz die Wahl am Sonntag gewonnen und Scholz will Kanzler einer Dreier-Koalition werden.

Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck trafen sich mit FDP-Chef Christian Lindner und Generalsekretär Volker Wissing. Alle vier posteten auf Instagram ein Foto des Quartetts und schrieben dazu: "Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten."

Das war es aber auch schon mit Informationen zur abendlichen Zusammenkunft der vier Politiker. "Es war ein längeres, vertrauliches Gespräch an einem neutralen Ort", sagte ein Grünen-Parteisprecher am Mittwoch. Eine FDP-Sprecherin äußerte sich wortgleich, machte aber ebenfalls keine Angaben zu möglichen weiteren Treffen. Die SPD rechnet damit, die klassischen Sondierungen noch nicht diese Woche beginnen.

Erklärtes Ziel von Grünen und FDP ist die Einigung auf Grundlinien einer politischen Zusammenarbeit, die als Voraussetzung für einen "Neustart" der Regierungspolitik in Deutschland dienen soll. Erst später wollen beide mit der Partei eines möglichen Kanzlers sprechen.

Die Grüne Jugend forderte Baerbock und Habeck zu einer klaren Absage an eine Koalition mit der Union auf. "Eine Jamaika-Koalition mit der Union würde die Grüne Jugend nicht mitmachen", sagte der Bundessprecher der Jugendorganisation, Georg Kurz, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch). "Wir können auf keinen Fall die Partei, die explizit abgewählt wurde, zurück ins Kanzleramt hieven."

Scholz wirbt für Ampelkoalition

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat eindringlich für eine Ampelkoalition geworben. "Da passt was zusammen, wenn man das zusammenbringen will", sagte Scholz am Dienstagabend in Berlin. "Es kann eine Regierung sein, wo drei Parteien zusammenkommen, die unterschiedliche, aber mit Überschneidungen versehene Fortschrittsideen haben."

Die SPD sei immer eine Partei gewesen, die die politische Durchsetzung von Recht, Freiheit und besserem Leben als möglich angesehen habe. Die Grünen sähen, wie die SPD, das Aufhalten des menschengemachten Klimawandels und die ökologischen Fragen drumherum als zentral an, seien aber "natürlich noch mehr darauf konzentriert", sagte Scholz beim Spätsommerfest der Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion in Berlin. "Und die liberale Partei hat auch Vorstellungen vom Fortschritt, die Überschneidungen haben mit dem, was wir so sehen." Scholz nannte die Frage der Bürgerrechte und die Modernisierung des Landes.

Die Bürgerinnen und Bürger wollten keine Regierung mit Parteien, die sich gegenseitig bekämpfen. Die Verantwortung sei groß. "Das wird eine schwere Zeit, aber ich sage auch zum Schluss, wenn wir die Regierung gebildet haben, dann soll sie auch so gut sein, dass sie auch wiedergewählt wird - und das ist dann das ganz große Projekt", sagte Scholz.

Kämpfe innerhalb der Union

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ging indes auf die Kämpfe in der Union nach dem Wahldebakel von CDU/CSU ein. "Natürlich macht die Unionsfraktion jetzt schwere Stunden durch", sagte Mützenich, der am Mittwoch als Fraktionschef der SPD bestätigt wurde. Wichtig sei aber, dass das Parlament dann auch über eine Opposition verfüge. Mützenich sagte: "Das Land gehört nicht einer CDU/CSU." Das Land gehöre den Bürgerinnen und Bürgern, die Scholz gewählt hätten.

Der wiedergewählte Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus geht davon aus, dass Armin Laschet nicht Fraktionsvorsitzender werden will, sollte die Union in der Opposition landen. "Armin Laschet wird bestimmt nicht als Fraktionsvorsitzender kandidieren, wenn wir in die Opposition gehen", sagte Brinkhaus am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen". "Insofern bin ich kein Platzhalter und fühle mich auch nicht so." Brinkhaus war am Abend mit 85 Prozent der Stimmen in der Union-Fraktion wiedergewählt worden - allerdings nur bis Ende April und nicht wie üblich für ein Jahr. Stattdessen werde sich Laschet um die Partei kümmern, sollte die Union nicht regieren, erklärte Brinkhaus. "Als Parteivorsitzender ist man dann ganz gut beschäftigt."

Sollte die Union nach ihrer Wahlniederlage tatsächlich in die Opposition müssen, wäre der Fraktionsvorsitz der wichtigste Posten, der übrig bliebe. Brinkhaus sagte in den "Tagesthemen", CDU und CSU seien sich einig, dass man Grünen und FDP nun Gespräche über eine Jamaika-Koalition anbieten wolle. Klar sei, dass die Union nach der Niederlage gegen die SPD keine Ansprüche erheben könne. Aber eine Jamaika-Koalition sei neben der Ampel aus SPD, Grünen und FDP weiter eine mögliche Option. Die CDU/CSU war bei der Bundestagswahl auf den historischen Tiefpunkt von 24,1 Prozent gestürzt. Die SPD wurde mit 25,7 Prozent stärkste Kraft.

Auch Jamaika-Koalition möglich

Nach Worten von FDP-Bundestagsfraktions-Vize Michael Theurer ist eine Jamaika-Koalition von FDP und Grünen mit der Union "noch nicht vom Tisch". Parteichef Lindner habe zuletzt deutlich gemacht, dass die Liberalen eine Präferenz für ein solches Bündnis haben, sagt Theurer Mittwochfrüh im Deutschlandfunk. Ferner schließe er nicht aus, dass es zu einer Fortsetzung der Großen Koalition von Union und SPD "unter umgekehrten Vorzeichen" kommen könnte. Theurer mahnt für die anstehenden Gespräche mit den anderen Parteien Vertraulichkeit an. Es dürfe - anders als in den Koalitionsverhandlungen vor vier Jahren - nicht wieder dazu kommen, dass Wasserstandsmeldungen öffentlich gemacht werden.

(APA/dpa/Reuters)

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