Amanshausers Album

Der Leuchtturmwächter

Unweit der Gironde-Mündung steht ein Leuchtturm auf hoher See. Thomas ist sein Wächter.
Unweit der Gironde-Mündung steht ein Leuchtturm auf hoher See. Thomas ist sein Wächter.Martin Amanshauser
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Ebbe und Flut bestimmen sein Leben: Einblicke in den Alltag von Thomas, dem Leuchtturmwächter.

Thomas ist Leuchtturmwächter. Nicht von irgendeinem, sondern vom Phare de Cordouan (erbaut 1611), dem weltweit einzigen auf hoher See, im Atlantik, auf einem Felsplateau, inmitten starker Gezeitenströmungen. Thomas macht den Job schon den sechsten Sommer. Einen besseren könnte er sich nicht vorstellen. „Dieses Licht früh am Morgen! Der Turm färbt sich pink, dann orange, dann gelb, dann weiß. Du kommst dir vor wie ein Wächter aus ­früheren Zeiten. Wenn es warm ist, leg’ ich meine Matratze raus und schlaf unter dem Sternenhimmel.“

Im Sommer kommen untertags die ­Touristen per Schiff und Amphibienfahrzeug, waten dem Phare durch sandiges Brackwasser entgegen. Es sind um die 300 pro Wochentag. Thomas führt die Bande mit den feuchten Hosen durch das 68 Meter hohe architektonische Kunstwerk, „und wenn sie weg sind, ­putzen wir die 301 Stufen.“ Nach Ende der sechsmonatigen Touristensaison verrichtet er Handwerksdienste und Instandhaltungsarbeiten. Neben seiner Guidetätigkeit fungiert er als Mechaniker, Installateur, Elektriker, Maler und Zimmermann. Es geht um die Erhaltung der wertvollen, oft antiquierten Grundsubstanz. Der Kalkstein erodiert rasch, den Bronze- und Kupferscharnieren setzt die salzige Luft zu. „Außerdem ­versuchen wir, von der Stromversorgung her autonom zu werden.“ Vor Beginn der Besuchersaison befreit der Helikopter den Leuchtturm von Renovierungs­geräten. Selbstverständlich erfüllt ­Thomas auch eine (für einstige Vor­gänger oft gefährliche) Wächterfunktion  – Plünderer und Vandalen könnten sich des Bauwerks bemächtigen.

Natürlich ist Thomas nicht der einzige Wächter. Sechs Personen arbeiten am Phare de Cordouan, zwei sind jeweils vor Ort. Rhythmus des Dienstrads: eine Woche Arbeit, eine Woche Pause, zwei Wochen Arbeit, zwei Wochen Pause. „Ich wohne selbst in der Bucht drüben, am Meer. Kurioserweise gibt es dort ganz ähnliche Bedingungen wie hier am Turm. Ebbe und Flut bestimmen mein Leben.“ Bei dieser Location drängt sich die Frage auf, ob er im Winter seine Freunde einladen kann? Thomas lacht: „Niemals. Ist strengstens verboten!“

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