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ORF-Gebührenerhöhung um acht Prozent? "Völlig deplaziert"

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20210810 Election of the new General Director of ORF VIENNA, AUSTRIA - AUGUST 10: A banner saying ORF inside the ORF he(c) imago images/SEPA.Media (Martin Juen via www.imago-images)
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Soll man künftig auch für Streaming GIS-Gebühren zahlen müssen? Das ist noch offen. Fix ist aber: Es soll eine Gebührenerhöhung kommen.

Am Mittwoch wurde im Ministerrat ein Zeitplan für eine ORF-Gesetzesnovelle vorgelegt: Mit Jahresende soll ein Entwurf für die  Überarbeitung des Gesetzes vorliegen, die dem ORF mehr Möglichkeiten im Digitalbereich einräumen soll - eine langjährige Forderung des Öffentlich-Rechtlichen. Eine der zentralen Fragen ist dabei: Wird die sogenannte Streaminglücke geschlossen, also muss man künftig auch fürs ORF-Streamen GIS-Gebühren zahlen? Der scheidende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz plädiert dafür, Finanzierungsfragen vorerst auszuklammern, sonst "kommt am Schluss gar nichts raus.“ Die Regierung ließ sich am Mittwoch im Pressefoyer nach dem Ministerrat keine weiteren Details zur geplanten ORF-Gesetzesnovelle entlocken. Unabhängig davon trifft sich der Stiftungsrat, das oberste ORF-Gremium, am 14. Oktober für eine Sondersitzung zur Festlegung der Gebühren. Wrabetz dürfte eine Erhöhung von rund acht Prozent budgetiert haben, was ÖVP und FPÖ sauer aufstößt. 

Scharfe Worte kamen aus der Kanzlerpartei: "Völlig deplatziert" sei das, meinte Axel Melchior, Generalsekretär und Mediensprecher der ÖVP. Damit beschere Wrabetz den ORF-Seherinnen und Sehern kurz vor seinem Abgang deutlich spürbare und ungerechtfertigte Zusatzkosten. "Als Volkspartei sehen wir den Anstieg der GIS-Abgabe äußerst kritisch, denn aus unserer Sicht braucht es eine Politik der Entlastung, nicht der Gebührenerhöhung", so Melchior.

Steigerung von rund 1,30 bis 1,40 Euro pro Monat

Derzeit stimmt sich Wrabetz mit dem künftigen ORF-Generaldirektor Roland Weißmann zwecks Neufestsetzung des Programmentgelts ab. Bis Anfang nächster Woche will er zu einem Ende kommen und bekannt geben, wie hoch die Anpassung ausfällt. "Klar ist, dass sie unter der kumulierten Inflationsrate sein wird und insgesamt den gesetzlichen Erfordernissen entspricht", so der ORF-Chef.

Derzeit erhält der ORF monatlich 17,21 Euro aus Radio- und Fernseh-Entgelt. Das sind in etwa zwei Drittel der Gesamtgebühren, die GIS-pflichtige Haushalte entrichten müssen. Denn zu diesem Betrag kommen noch Gebühren und Abgaben an Bund und Länder hinzu. Die Landesabgabe variiert. In der Steiermark ist sie mit 5,80 Euro am höchsten. Dort fallen insgesamt 26,73 Euro an Gebühren an. In Oberösterreich und Vorarlberg gibt es dagegen keine Abgabe an das Land und die Gebühr ist mit 20,93 Euro spürbar billiger.

Eine Erhöhung des Programmentgelts von acht Prozent würde eine monatliche Steigerung von rund 1,30 bis 1,40 Euro bedeuten. Der Betrag, der pro GIS-pflichtigem Haushalt an den ORF fließt, würde somit von 17,21 Euro auf etwa 18,60 Euro ansteigen. Berücksichtigt werden muss dabei, dass in manchen Bundesländern die Länderabgaben automatisch mit einer Erhöhung steigen, in anderen dafür erst ein Beschluss nötig ist. Insgesamt könnte der ORF damit künftig mit Gebühreneinnahmen von ca. 700 Millionen Euro rechnen - sofern die gebührenpflichtigen Haushalte in etwa auf dem derzeitigen Niveau bleiben. Derzeit erhält er rund 650 Millionen Euro.

Die FPÖ ist zwar erbost über die geplante Erhöhung, doch macht sie nicht Wrabetz dafür verantwortlich, sondern die ÖVP. "Skurril" sei es, dass Melchior die Schuld auf den scheidenden ORF-Chef schiebe. Die Erhöhung diene offenbar einzig und allein dazu, die Propagandamaschinerie der ÖVP zu finanzieren, meinte FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker.

"Der große Wurf ist es noch nicht"

Weniger strittig ist das Thema Digitalierung. Bekräftigt wurde von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als ehemaligem Medienminister, dass der ORF im Onlinebereich mehr Möglichkeiten brauche und zugleich als Partner der Privaten auftreten müsse. Eine finanzielle Absicherung sei auch künftig vorgesehen. "Details" seien aber noch nicht festgeschrieben. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte, dass sowohl der ORF als auch die gesamte Medienlandschaft von der Gesetzesnovelle profitieren sollen.

Wrabetz zeigte sich  erfreut, dass "nach langem Ruhen Bewegung in die Angelegenheit kommt". "Der große Wurf ist es noch nicht, aber ein Arbeitsauftrag, den sich die Regierung selbst gegeben hat. Ich hoffe, dass sie ihn ernst nimmt", so der amtierende ORF-Chef. Dabei plädiert er dafür, dass sich der Gesetzgeber auf die drängendste Baustelle fokussieren solle: die digitale Bewegungsfreiheit des ORF.

Konkrete Hemmschuhe sind die maximale Bereitstellungsdauer von sieben Tagen für Inhalte sowie dass diese nicht "online only" und "online first" produziert werden dürfen. "Die Finanzierung sollte man vorerst ausklammern, sonst kommt am Schluss nichts heraus", meinte Wrabetz.

Streaminglücke "ein Problem, das gelöst werden sollte"

Der Stiftungsrat sieht eine Schließung der Streaminglücke tendenziell positiv. Zach, Leiter des mächtigen bürgerlichen "Freundeskreises“, meinte: "Aktuell gibt es diese Lücke. Daher ist aus Sicht des Unternehmens klar, dass das gelöst werden sollte.“ Zum Thema Erhöhung wollte er bis zur Sitzung in knapp zwei Wochen keinen Kommentar abgeben.

Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-"Freundeskreises", sah eine Ankündigung ohne Inhalt gegeben: "'Viel Lärm um nichts' ist nicht nur ein Stück von Shakespeare." Er forderte die Regierung auf, im Interesse des Medienstandorts nicht nur eine Punktation bis Ende des Jahres vorzulegen, sondern ein mit der Opposition fertig ausverhandeltes Gesetz. "Es ist fünf nach zwölf für den ORF", so Lederer.

Lothar Lockl, der für die den Grünen nahestehenden Stiftungsräte spricht, sieht es positiv, wenn die Regierung die "Steinzeitgesetze" modernisiert: "Die jetzigen Regelungen atmen den Geist des Schwarzweiß-Fernsehens und ermöglichen keine Chancengleichheit gegenüber den IT-Plattformen aus Übersee." Das Schließen der Streaminglücke wäre "wünschenswert". Schließlich gehe der Trend in Richtung Streaming und der ORF brauche eine nachhaltige Finanzierung. Das sei aber Sache des Gesetzgebers, der in medienpolitischer Hinsicht in den vergangenen 20 Jahren im "Tiefschlaf" geweilt habe.

Für SPÖ "mehr als peinlich"

"Mehr als peinlich" sei es, die Ankündigung einer Punktation in einen Ministerratsbeschluss zu schreiben, so SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried. "Dass Türkis und Grün nach eineinhalb Jahren jetzt wieder nur Überschriften abliefern, ist ein Armutszeugnis.“ Der SPÖ-Mediensprecher. forderte digitale Entwicklungsfreiheit und Ermöglichung neuer Angebote, Zugänge und Kanäle für den ORF. Im Gegenzug dazu könne er sich weitgehende Werbebeschränkungen im Digitalbereich vorstellen, um den Wettbewerb nicht zu verzerren.

Neos wünschen sich Entpolitisierung

"Wir wissen alle seit Jahren um die zentralen Probleme des ORF Bescheid", reagierte Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter. Die "lieblos hingeknallte türkis-grüne Punktation" offenbare lediglich die "Ambitionslosigkeit der Bundesregierung bei der ORF-Reform". Brandstötter fordert eine Entpolitisierung und Professionalisierung der ORF-Gremien, eine Reduktion der Werbung und eine gestaffelte Haushaltsabgabe. "Das schließt die Streaminglücke, zugleich verteilt sich die Abgabe auf mehr Köpfe und wird somit günstiger für den Einzelnen", so die Neos-Mediensprecherin.

(APA/Red.)

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