Stützpunkt Wien-Matzleinsdorf: 2010 wurde die Wartungshalle eröffnet, eine der größten und modernsten Werkstätten der ÖBB TRAIN TECH
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Neue Kompetenzfelder für ÖBB-Techniker

Um für die Zukunft und die Aufgaben als Österreichs größtes Instandhaltungsunternehmen für Schienenfahrzeuge gerüstet zu sein, analysierte die ÖBB TRAIN TECH in einem Kooperationsprojekt mit dem  WU Institut für Entrepreneurship und Innovation relevante Megatrends und Veränderungen im Bereich des Berufsbildes von Technikern und Ingenieuren.

Das Instandhaltungsgeschäft für Schienenfahrzeuge ist eine komplexe Materie. Instandhalter haben eine Reihe von Aufgaben und Dienstleistungen zu erfüllen, um Störungen rechtzeitig zu erkennen und zu beheben, bevor größere Schäden entstehen. Die Palette reicht von mobilen Wartungen über Engineering, Materialversorgungsmanagement und den Einsatz von Hilfszug-Mannschaften bis hin zum sogenannten ECM-Management. ECM steht dabei für Entity in Charge of Maintenance. Gemäß EU-Verordnung muss für jedes Schienenfahrzeug ein Instandhalter definiert und im Fahrzeugregister eingetragen sein. Die für die Instandhaltung zuständigen Stellen haben mit einem zertifizierten System dafür zu sorgen, dass der sichere Betriebszustand von Eisenbahnfahrzeugen stets gewährleistet ist.

Fokus auf die Ingenieure

Als Full Service Provider mit ECM-Verantwortung für mehr als 20.000 Fahrzeuge übernehmen die ÖBB Technische Services, kurz ÖBB TRAIN TECH, als österreichweit größtes Instandhaltungsunternehmen für Schienenfahrzeuge den gesamten Instandhaltungsprozess. Angewiesen ist man dabei auf eine stets weiter zu entwickelnde State-of-the-art-Technik sowie Top-qualifizierte Mitarbeiter. „Wir investieren in den nächsten Jahren rund 400 Millionen Euro in den Ausbau unserer Standorte, in modernste Technologien und in unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wollen wir unsere Führungsposition in einer Branche, die stark von Megatrends beeinflusst wird, halten, müssen wir uns an die permanenten Veränderungsprozesse anpassen“, sagt ÖBB TRAIN TECH Geschäftsführerin Sandra Gott-Karlbauer.

Um für die Veränderungen im Bereich des Berufsbildes der Ingenieure gerüstet zu sein, entschied sich das Unternehmen 2020 für eine Zusammenarbeit mit dem WU Institut für Entrepreneurship und Innovation (E&I). Dies war bereits das vierte Projekt im Zuge der Kooperation. Im Raum standen zwei zentrale Fragen: Wie werden sich die Berufsbilder der Flotten- und Komponententechniker in den nächsten fünf bis zehn Jahren durch Megatrends verändern? Welche neuen Fähigkeiten und Kompetenzen sind erforderlich, um langfristigen Erfolg und einen Wettbewerbsvorteil zu gewährleisten?

Megatrends der Digitalisierung

Als Megatrends mit besonderer Relevanz für die Branche wurden vom WU Team anhand von Experteninterviews und einer umfangreichen Desk Research zunächst mehrere Aspekte der Digitalisierung identifiziert. Im Vordergrund stand die Condition-based Maintenance (CBM; deutsch: zustandsorientierte Instandhaltung). Dabei handelt es sich um eine Unterart der vorbeugenden Instandhaltung. Bei dieser Strategie werden Bauteile erst gewechselt, wenn der höchste Abnutzungsgrad vollständig erreicht ist. Hierfür muss der tatsächliche Zustand einer Anlage stetig überwacht werden, um festzustellen, welche Instandhaltungsmaßnahmen erforderlich sind. Um CBM richtig nutzen zu können, braucht es ein umfassendes IT-System und die Kompetenzen zur Analyse der Daten von Sensoren. Von einer effizienten CBM sind laut Erfahrungswerten in analogen Branchen 60 Prozent an Zeitersparnis bei der Fehlerdiagnose und damit Kosteneinsparungen von bis zu 15 Prozent zu erwarten.

Ein großes Potenzial bei der Implementierung von CBM werden weiteren Digitaltrends wie der Augmented Reality (AR) und Digitalen Zwillingen zugeschrieben. AR ermöglicht mit dem Einsatz von Smart Glasses Remote-Arbeit und entschärft das Problem mangelnden flächendeckenden Expertenwissens. So kann AR im Rahmen einer Schulung durch die virtuelle Einspielung realistischer Szenarien entscheidend zur Verbesserung von Problemlösungsfähigkeiten beitragen. Die Integration von Digital Twins (DT), also von digitalen Kopien physischer Objekte, hilft wiederum dabei, Problemsituationen zu antizipieren und noch vor dem Auftreten von Schwierigkeiten entsprechende Lösungen parat zu haben. Die fachliche Kompetenz von Ingenieuren, die in der Lage sind, die Hilfsmittel AR und DT zu nutzen, erlaubt insgesamt eine zeiteffizientere und flexiblere mobile Instandhaltung.

Neue Bildungsansprüche & notwendige Soft Skills

Laut WU Analyse werden traditionell getrennte Fachbereiche zunehmend miteinander verknüpft, weshalb künftige Ingenieure ein breites Verständnis nicht nur für ihr eigenes Fachgebiet, sondern für viele verschiedene Bereiche benötigen. Während Experten dabei zu Generalisten mutieren, ist in einzelnen Disziplinen besonderes Knowhow gefordert. Sowohl in den Berufsschulen als auch in den weiterführenden Hochschulen wird sich das Angebot an Ausbildungszweigen und Modulen vervielfachen, speziell in den Bereichen Mechatronik und Data Science. Die zunehmende Interdisziplinarität von Teams setzt zudem eine Weiterentwicklung von Soft Skills voraus. Gerade im Ingenieurswesen, das durch rasche Veränderung von Technologien und die Zusammenarbeit vieler Fachleute aus unterschiedlichsten Berufsgruppen gekennzeichnet ist, sind immer stärker Netzwerk-, Teamführungs- und Kommunikationsfähigkeiten gefragt, die einstige Spezialisten zu umfassenden Managern transformieren.

Jobprofil der Zukunft

Beim Blick auf das Berufsbild des Flotten- und Komponententechnikers von morgen ortet das WU E&I-Team rundum geänderte Anforderungen. Den Technikern obliegen künftig die vollständige Verantwortung für die Funktionalität aller Teile und Komponenten der Flotte sowie die Aufgabe der Sicherstellung der Verfügbarkeit des Zuges. Die Tätigkeitsbereiche umfassen dabei die Definition von Problemstellungen mit Hilfe von CBM, digitalen Zwillingen, Augmented- und Virtual Reality, die Analyse von Daten, ECM Aufgaben, technische Beratung, die Verwaltung von Komponentenhandbüchern und das Flottenmanagement. Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an die Qualifikation. Zum Abschluss in Ingenieurwissen addieren sich interdisziplinäre technische Fähigkeiten, Grundkenntnisse in der Datenanalytik, die Offenheit für den Erwerb neuen Wissens im Sinne des Prinzips des lebenslangen Lernens sowie ausgeprägte kommunikative Manager-Kompetenzen mit internationalen und funktionsübergreifenden Vernetzungsfähigkeiten.

Learnings aus der Kooperation

„Wir haben die Ergebnisse der Analyse in einem Kompetenzkompass zusammengefasst, der aufzeigt, welche Fähigkeiten von zukünftigen Ingenieuren benötigt werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Kompass zeigt auch, inwieweit bestimmte Fähigkeiten und digitale Werkzeuge im Vergleich zwischen dem Status quo und dem Zukunftsszenario relevanter werden als andere“, so die Verantwortlichen des WU E&I-Projekts. Neben dem Kompetenzkompass wurden Entwürfe für mögliche zukünftige Berufsbilder erstellt, die der ÖBB TRAIN TECH sehr konkrete Empfehlungen für ihr Personalmanagement geben. Empfohlen wurde etwa die Einrichtung von Future Labs, besetzt mit internen und externen Experten, zur Durchführung von Pilotprojekten, dem Diskutieren und Analysieren von Trends, zur Mitarbeiterbefragung oder zur Findung von „Lead Employees“, die ihre eigenen innovativen Ideen in die Tat umsetzen wollen.

„Wir haben im Rahmen dieser Kooperation einen Blick in die Zukunft geworfen und wertvolle Erkenntnisse gewonnen, wie Trends mittels des Kompetenzkompasses besser zu steuern sind. Die Zusammenarbeit ist eines von vielen Beispielen dafür, wie fruchtbar es für uns ist, die Stärken unseres Unternehmens mit dem Knowhow von Hochschulexpertinnen und -experten zu bündeln“, resümiert ÖBB TRAIN TECH Geschäftsführerin Gott-Karlbauer und betont die Notwendigkeit, Anpassungen an Veränderungen proaktiv zu gestalten: „Das entspricht unserem Leitsatz: Immer einen Zug voraus.“

Information

Als umfassender Mobilitäts- und Logistikdienstleister haben die ÖBB im Jahr 2020 insgesamt rund 287 Millionen Bahnkunden und über 95 Millionen Tonnen Güter klimaschonend und umweltfreundlich an ihr Ziel gebracht. Denn der Strom für Züge und Bahnhöfe stammt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Die ÖBB gehören mit rund 96 Prozent Pünktlichkeit im Personenverkehr zu den pünktlichsten Bahnen Europas. Mit Investitionen von über drei Milliarden Euro jährlich in die Bahninfrastruktur bauen die ÖBB am Bahnsystem für morgen. Konzernweit sorgen 42.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (davon 2000 in internationalen Tochterunternehmen) bei Bus und Bahn sowie zusätzlich mehr als 2000 Lehrlinge dafür, dass täglich rund 790.000 Reisende und 870 Güterzüge der ÖBB sicher an ihr Ziel kommen.

Weitere Informationen unter: unsereoebb.at

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