Auf das Neo-Biedermeier folgen die Roaring Twenties: Die Modewoche in Mailand warf nach 18 Monaten Pause wieder ihren Partymotor an. Postpandemische Mode soll die Tristezza im Lockdownmodus wohl auch formal möglichst rasch vergessen lassen.
Während des ungeheuer populären Salone del Mobile, der Möbelmesse, die Anfang September überraschenderweise doch noch in abgespeckter Version in Mailand stattfand, war die Euphorie groß, neu und staatstragend: Sogar Staatspräsident Mattarella pries den symbolträchtigen „spirito di ripartenza“, den Willen des Neuanfangs. Das war vor wenigen Wochen, und trauten anfangs die Mailänder kaum dem Glück, wieder Designfeste feiern zu können, ist das bei der Modewoche schon wieder Routine.
Die schwarzen Limousinen stauen sich in engen Gassen und auf Straßenbahnschienen, die Show-Architekturen sind pompös wie eh und je, es wird geinstagrammed, getiktokt oder hie und da niedlich nostalgisch mitskizziert. Sogar die Presse aus den USA ist zurück – als einziges „Vogue“-Team ist jenes aus New York um Anna Wintour komplett zugegen. Nach einem internationalen Kahlschlag durfte sich auf Weisung des Mutterverlages Condé Nast selbst aus Deutschland, Spanien, Frankreich niemand akkreditieren. Die neue Chefin der „Vogue Italia“, Francesca Ragazzi, kann zwar nun zwischen Wintour und dem Europachef der Magazinfamilie, Edward Enninful aus London, Platz nehmen – ob sie sich aber in Paris bei den Schauen zeigen darf, ist fraglich.