Lokalkritik

Testessen im Chez Bernard

Chez Bernard
Chez BernardChristine Pichler
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Wir kritisieren sehr soft und besuchen das Chez Bernard: Die Partypeople sind schon da, die ersten Dates auch, die Küche bleibt pur französisch. Danke.

Der Begriff „Soft Opening“ bezeichnet eine Probephase, in der etwa ein ­Restaurant zwar schon offen hat, aber wenig Reservierungen annimmt, um Küche und Service Zeit für die Eingewöhnung und Fehlererkennung zu geben. Gäste und Kritiker werden um Nachsicht gebeten, sogar ­Politikern werden manchmal Schonfristen gewährt. Dann gibt es die Variante des „Soft Openings“ von Gastronom Bernhard Schlacher: Beim Betreten des neuen Chez Bernard im ebenso neuen Schmuckkästchen-Hotel Motto (vormals Hotel Kummer) wähnt man sich in einem seit Langem beliebten Szenelokal, wie manche früher sagten. Kein Platz ist unbesetzt, die Bar belagert, die ­Kellnerinnen und Kellner wieseln herum, Schlacher selbst hilft mit, die Geräuschkulisse plus DJ sind durchaus auf der nächtlichen Seite. Die Bude, oder besser: die Brasserie, brummt.

Schlacher hat sich mit seinem Golden-Twenties-Hotel seinen Designtraum erfüllt, die „New York Times“ berichtete schon begeistert, weitere internationale Journalisten haben bereits ihre Zimmer und Suiten gebucht. Wien-Tourismus kann Schlacher bereits den Goldenen Rathausmann vorbeibringen, den hat er aber vielleicht ohnehin schon. Interessanterweise haben nur wenige Meter entfernt ebenfalls zwei Hotels eröffnet: das Musikhotel Jaz in the City Vienna und das hübsche Hotel Josefine, ich ziehe aus dem Grätzel nie wieder weg. Zurück ins Chez Bernard, das mit seiner Kreuzfahrtschiff-Architektur mit senkrechten Schlitzfenstern von der Bar einen guten Blick auf die Fußgängerzone bietet.

Ein kleiner schräger Trend erreicht mit dem Bernard die Stadt: Die lang verdrängten Topfpflanzen sind wieder erlaubt! Die Tische sind teils mit dem dazugehörigen Mobiliar auf Fauteuilstyle und -höhe. Gemütlich nennt das der Wiener. Die Küchenlinie entpuppt sich als tatsächlich streng französisch, was Wien schmerzlich gefehlt hat. (Vom Le Salzgries abgesehen.) Es gibt Meeresfrüchte-Platten, Coq au vin, Steak Tatar. Die bestellten knusprigen Blutwurstscheiben als Vorspeise neben den Steaks und Burger-Angeboten sind wie ­vieles auf der Karte mutig, schmecken aber sensationell, wenn man Blutwurst mag.

Chez Bernard
Chez BernardChristine Pichler

Über die Bouillabaisse ließe sich zwischen zwei Fraktionen herrlich streiten: die ­Leichten gegen die Geil-Dicken (rich trifft ­
es im Englischen besser.) Dazu kommt die ­Tomaten-Fraktion in diesem längst entschiedenen Triell: Die Fischsuppe kommt mit leichtem Sud und bissfestem Fisch. Ist meine Fraktion, aber die mit dem Hummerbutter-Ton und den zerfallenen Stücken haben im Winter auch was. Empfehlenswert ist auch noch das zum Glück wieder in Mode gekommene Bœuf Bourguignon, das hier vom Hirschen kommt und eine wunderbar intensive Ragout-Variante ergibt, die man gar nicht genug loben kann. Aber ich bin nicht objektiv, sondern habe eine ­angesagte französische Brasserie ums Eck geschenkt bekommen, fehlt nur noch der coole Inder.

Info

Chez Bernard, Mariahilfer Straße 71A, 1060 Wien, Tel.: +43/(0)1/581 46 00, Restaurant: Mo–Fr: 8–11.30, 17.30–2 Uhr, Sa, So: 8–12.30, 17.30–2 Uhr.

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