EU-Recht

Verpasste Fristen und lachende Bauern

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Die Lebensmittel-Wertschöpfungskette wird neu reguliert. Die entsprechende Richtlinie hätte schon im Mai umgesetzt werden müssen. Die EU-Kommission hat deswegen bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger präsentierte am Donnerstag ein neues Gesetz, das die Marktbeziehungen zwischen Handelsketten und der heimischen Landwirtschaft ab 1. Jänner 2022 stärker regulieren wird. Damit sollen künftig verspätete Zahlungen für verderbliche Waren, Auftragsstornierungen in letzter Minute und einseitige oder rückwirkende Vertragsänderungen verboten werden.

„Heute ist ein guter Tag für unsere Bäuerinnen und Bauern“, so Köstinger bei der Präsentation des neuen Gesetzes. Der Entwurf sei ein „wichtiger Schritt, um die Situation der heimischen Landwirte zu verbessern und ein Meilenstein im Kampf gegen unfaire Geschäftspraktiken, unter denen die Landwirtschaft leidet“. Wenngleich das Landwirtschaftsministerium rund um Köstinger das Gesetz federführend ausarbeitete und präsentierte, fällt es formell eigentlich in den Zuständigkeitsbereich von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck.

Für Köstinger war die Materie politisch aber ein gefundenes Fressen: Vorausgegangen ist ein öffentlich ausgetragener Streit zwischen Bauern und Handel, den die Landwirtschaftsministerin mit ihren Aussagen zu „erpresserischen Praktiken“ der Handelsketten zusätzlich anheizte. Seit Wochen trommelt Köstinger, die Marktmacht des Handels brechen zu wollen und inszeniert sich damit medienwirksam als Retterin der österreichischen Landwirte. Diese gelte es im „unfairen“ Kampf mit dem Handel zu unterstützen.

Frist im Mai abgelaufen

Dass sich Köstinger der heimischen Bauernschaft annimmt, ist als Landwirtschaftsministerin freilich ihre Aufgabe. In ihrer drastischen Wortwahl gegen die Handelsketten deuten manche Beobachter aber eher einen Ablenkungsversuch. Die Umsetzung der EU-Richtlinie ist nämlich längst überfällig. Diese wurde 2018 ausgerechnet unter österreichischer Ratspräsidentschaft unter Federführung von Bundesministerin Köstinger ausverhandelt und im April 2019 beschlossen. Eigentlich hätte Österreich die europäischen Vorgaben schon im Mai 2021 umsetzen müssen.

Weil man die Frist verstreichen ließ, leitete die Kommission im Sommer ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Ein solches sei mit dem aktuellen Vorschlag abgewendet, räumte Köstinger ein. Aus ihrem Ministerium hieß es, dass man schon zu Zeiten einer ÖVP-FPÖ-Koalition knapp vor einer Umsetzung gestanden sei. Diese habe sich wegen des Koalitionsbruches 2019 und der Coronakrise jedoch verzögert. Zudem seien im Ministerium zuletzt viele Ressourcen in die bevorstehende Reform der gemeinsamen EU-Agrarpolitik geflossen.

Während Köstinger aus dem bäuerlichen Umfeld naturgemäß Zuspruch erntet – Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger sprach von einem „Schlüsselmoment für mehr Fairness in der Lebensmittel-Wertschöpfungskette“ –, reagiert der Handel zurückhaltend auf die neuen Regelungen.

Streit um Milchpreise

Die beiden Marktführer Spar und Rewe wollten sich zur Umsetzung der Richtlinie vorerst nicht äußern und verwiesen auf eine Stellungnahme des Handelsverbandes, der den Entwurf kritisierte: „Das pauschale Bashing gegen den Lebensmittelhandel lenkt von Machtpositionen aller anderen Zwischenstufen ab“, so der Handelsverband.

Gemeint sind damit verarbeitende Betriebe sowie die meist stark bäuerlich organisierten Molkereien. Diese seien „in rund 95 Prozent der Fälle die direkten Vertragspartner der Landwirte“, so die Handelsvertreter. Damit machen sie auf den Kampf um den Milchpreis aufmerksam, der aktuell hinter den Kulissen tobt. Im Raum steht eine Erhöhung von zwei bis drei Cent pro Liter. Dass die Preiserhöhung auf sich warten lässt, liegt vor allem an einer großen Handelskette, die sich vehement gegen eine Erhöhung wehrt.

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