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Polestar 2: Ein neuer Stern, kein neues Universum

Polestar 2 als wuchtiges Fließheck mit SUV-Statur.
Polestar 2 als wuchtiges Fließheck mit SUV-Statur. (c) Juergen Skarwan
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Der jungen Marke Polestar eilt ein beachtlicher Ruf voraus. Wie viel davon kann das derzeit einzige Modell einlösen?

Volvo-Chef Håkan Samuelsson hat ein Händchen für das Marketing. Im Wettbewerb der Ankündigungen, sei es von Klimaneutralität oder Verbrenner-Ende, setzte er Volvo frühzeitig an die Spitze, obwohl man von derlei noch ein gutes Stückchen weiter entfernt ist als andere. Ein Viertel der Verkäufe (erstes Halbjahr 2021) sind in irgendeiner Form elektrifiziert, die Bestseller der Marke sind SUVs in drei Größen, und eine „Purpose built“-Plattform für reine Elektroautos, anders als bei Ford, Porsche/Audi, VW und natürlich Tesla, ist noch nicht im Einsatz.

Dafür wurde mit der Gründung von Polestar als neuer Marke ein kluger Schachzug geführt. Damit lassen sich frischer Wind und die Erwartung gänzlich neuer Zugänge zum Thema entfachen. Wie das bekanntlich Tesla ein Jahrzehnt zuvor gelungen ist. Nach jenem Vorbild soll nun ein ambitionierter Börsegang auch die Hoffnungen auf rasantes Wachstum bei Polestar kapitalisieren.

Online mit Pop-up-Store

Das erste (nicht limitierte) Serienmodell der jungen Marke wurde allerdings noch als Volvo konzipiert und im Nachhinein hauptsächlich stilistisch in den Polestar 2 verwandelt – auf einer Plattform, die man sich mit Modellen von Volvo und des chinesischen Mutterkonzerns Geely teilt, darunter einige mit Verbrennungsmotoren. Gebaut wird der Polestar 2 folgerichtig in China.

Das muss natürlich kein minderes Auto ergeben, allerdings ein doch recht konventionelles. Ein besonders günstiges Packaging mit womöglich verblüffend geräumigen Platzverhältnissen in der Folge kann die 4,6 Meter lange Fließhecklimousine nicht bieten. Muss die Ski-Klappe in der Rücksitzbank als Errungenschaft der Versatilität gefeiert werden? Eher nicht.

Auf der Plattform des Polestar 2 sind auch andere Modelle von Volvo (XC40) und des Geely-Konzerns unterwegs. Gebaut wird in China.
Auf der Plattform des Polestar 2 sind auch andere Modelle von Volvo (XC40) und des Geely-Konzerns unterwegs. Gebaut wird in China.

Somit ist der Polestar 2, auch wenn man ihn nur online kaufen kann, mit einem Pop-up-Store in der Wiener Herrengasse zum Inspizieren, ein recht normales Auto, bloß mit elektrischem Antriebsstrang. Der freilich dafür ausgelegt ist, Tesla-ähnliche Beschleunigungserlebnisse zu evozieren: Mit je einem Motor an Vorder- und Hinterachse und 300 Kilowatt kombinierter Spitzenleistung stellt sich der Effekt auch jederzeit ein, sobald das Fahrpedal mit Nachdruck betätigt wird. (Günstigere Varianten des Polestar 2, die demnächst folgen, werden nur über einen Motor verfügen, und der wird an der Vorderachse sitzen.)

Performance-Paket zum Einsparen

Sportlichen Ambitionen stehen allerdings das nicht übermäßig agile und im Zweifelsfall zum Untersteuern neigende Fahrverhalten des 2,2-Tonners und die wenig involvierende Lenkradposition entgegen. In diesem Sinn kann man den Aufpreis für das schmückende Performance-Paket mit gülden schimmernden Bremssätteln (und ebensolchen Gurten) und einem strafferen Federsatz von Öhlins bedenkenlos anderweitig investieren: Unsere Straßen geben einen sinnvollen Einsatz nicht her, man leidet auf schlechten Fahrbahnen mehr, als man auf guten profitieren würde. Aber einen Sportwagen hat Polestar mit dem 2er auch nicht in Aussicht gestellt.


Freunde skandinavischen Designs – in diesem Fall eher skandinavischer Kühle und Zurückhaltung – werden sich umso wohler fühlen an Bord, wo man Chromschmuck und Dekor vergebens sucht, sollte derlei abgehen. Mit der SUV-artig hohen Fensterlinie und den üblichen Platzverhältnissen einer Normalo-Limousine ist Luftigkeit allerdings keine Stärke des Polestar 2. Das mag vielleicht das Google-basierte Bordsystem sein, auf dessen Bedienung man sich nicht erst extra einstellen muss: Das hat man intus. Das Navi behält den Ladestand verlässlich im Fokus der Planung.

Unser Highlight, neben dem patenten Drehregler für die Lautstärke unterhalb des großen Bildschirms, ist der zentrale Wahlhebel der Fahrstufen, der wunderbar robust und grifffreundlich ausgeführt ist (nach all den Plastikstummeln, die man heute so zu bedienen bekommt). Hierauf kann die Hand mit Würde ruhen und den Wunsch nach Vor- oder Rückwärtsfahrt mit Nachdruck eingeben. Das Ein-Pedal-Fahren wird einmalig im Bordmenü aktiviert und ist natürlich das, was man abseits der Autobahn und Landstraße haben möchte: Komfort und Genuss.

Mit einer Effizienz im Mittelfeld bei um die 20 kWh/100 km Stromverbrauch, eher drüber, lässt sich die Reichweite mit 75 kWh netto Batteriekapazität leicht ausrechnen: Viel mehr als 350 km sind schwerlich drin. Das Thema wird aber sowieso überschätzt: Ein Polestar 2 ist in aller Regel kein Laternenparker, findet also regelmäßig an die Tränke. Und für den Einsatz auf der Langstrecke wird er kaum angeschafft. 

Polestar 2 Dual Motors LR

Maße. L/B/H: 4607/1985/1479 mm. Radstand: 2735 mm. Leergewicht 2198 kg. Kofferraumvolumen: 405 bis max. 1095 Liter (plus 35 Liter vorn).

Antrieb. PSM an Vorder- und Hinterachse, Leistung: max. 300 kW (408 PS). Drehmoment: max. 660 Nm. 0–100 km/h in 4,7 sec. Vmax: 204 km/h.
Batteriekapazität: 78 kWh, netto 75 kWh.
Ladeleistung AC: max. 11 kW, DC: max. 151 kW.
Reichweite: ca. 390 km.
Testverbrauch: 19,9 kWh.

Preis. Ab 55.900 Euro.

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