Informatik

Mit Handy-App die Vereinsamung bekämpfen

(c) imago images/Westend61 (Gustafsson via www.imago-images.de)
  • Drucken

Eine neue App hilft älteren Menschen, sich in ungewohnter Umgebung zurechtzufinden, und will sie damit mobiler machen. Entwickelt wurde sie von Experten der FH Joanneum und von Betroffenen selbst.

„Wir wollen mit unserer App dazu beitragen, Senioren so lang wie möglich mobil zu halten“, sagt Martijn Kiers, Dozent am Institut für Energie-, Verkehrs- und Umweltmanagement der Fachhochschule Joanneum in Kapfenberg. Die Überlegung dahinter: Wer auch im Alter viel unterwegs ist statt sich zu Hause zu verkriechen, bleibt nicht nur fit, sondern entgeht auch der sozialen Isolation.

„Vor allem ältere, gebrechliche Menschen trauen sich aber vielfach nicht außer Haus, aus Furcht, dass ihnen etwas zustoßen könnte – sei es, dass ein medizinischer Notfall eintritt, sei es, dass sie einfach aus Ortsunkenntnis nicht mehr weiterwissen.“ Die Scheu, in solchen Situationen Fremde um Hilfe zu bitten, sei groß, das Vertrauen in eine App aber vielleicht noch größer.

Die eventuell vorhandene Hemmschwelle vor dem Gebrauch eines Smartphones muss zuvor freilich überwunden werden. Im Rahmen eines internationalen Projekts, an dem die Kapfenberger FH führend beteiligt war, wurde die Anwendung „Soulmate“ entworfen. Was sie kann? „Sie fasst Features, die man an sich schon kennt, in einer All-in-one-Lösung zusammen und fügt noch einige Besonderheiten hinzu“, erklärt Kiers. Herzstück ist ein Navigationssystem, das den Standort des Benützers mit GPS erfasst und ihm die Route an seinen Zielort weist. „Points of Interest“ wie nahegelegene Toiletten oder Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln werden eingeblendet, einschließlich Echtzeit-Information, wann der nächste Bus oder die nächste Straßenbahn kommt.

SOS- oder OK-Knopf drücken

In Zahlen

„Künftige Nutzer haben an der Entwicklung mitgewirkt, indem sie uns gesagt haben, was für sie besonders wichtig ist“, so Kiers. „Das war zum einen eine möglichst einfache Bedienung, zum anderen ein SOS-Knopf.“ Dieser Notruf-Button ist ständig auf dem Touchscreen eingeblendet und ruft bei Betätigung der Reihe nach per Videocall alle Personen aus einer vordefinierten Kontaktliste an, bis einer abhebt. Meldet sich gar keiner, geht der Anruf an eine Hilfshotline. Dem Angerufenen werden die Standortkoordinaten des Hilfesuchenden mitgeteilt, und über die Kamera kann er sich ein optisches Bild von der Umgebung und vom Anrufer machen. Ein weiteres Sicherheitstool: „Bewegt sich der Nutzer länger als 30 Sekunden nicht, wird er aufgefordert, einen OK-Knopf zu drücken. Tut er das nicht, vermutet die App einen Notfall und setzt automatisch die SOS-Kette in Gang.“

Für den Verkehrsclub Österreich (VCÖ) waren insbesondere die Einbindung der Öffi-Fahrpläne und die dadurch erleichterte nachhaltige Mobilität ausschlaggebend, das Projekt kürzlich mit dem Mobilitätspreis, der in Zusammenarbeit mit dem Klimaschutzministerium ausgelobt wird, auszuzeichnen.

„Die App ist in einer funktionstüchtigen Erstversion fertig“, sagt Kiers. „Als einen der nächsten Schritte wollen wir weitere Features einbauen, um sie noch attraktiver zu machen.“ Dazu zählt die Möglichkeit, eine unbekannte Route mittels Streetview vorab digital abzugehen. Organisationen, die sich speziell um die Anliegen älterer Menschen kümmern, sollen weitere Ideen einbringen. Schließlich soll ein Start-up gegründet und Geschäftspartner sollen gefunden werden, die das Produkt in ihr Portfolio aufnehmen wollen.1,7 Millionen Österreicher zählen laut Statistik Austria zur Generation 65+ (Stand 1. 1. 2021).

1,1 Millionen Frauen und Männer in dieser Altersgruppe besitzen kein Handy, geht aus einer im Vorjahr durchgeführten Umfrage des Linzer Seniorenhandy-Herstellers Emporia hervor.

81 Prozent der älteren Menschen, die ein Smartphone verwenden, nutzen vor allem die Kamerafunktion. Ebenfalls beliebt sind Messenger-Dienste.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.