Symphoniker

Mahler ohne Geheimnisse im Konzerthaus

Konzerthaus Wien am Heumarkt
Konzerthaus Wien am Heumarkt(c) imago images/SKATA (via www.imago-images.de)
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Die Symphoniker unter Orozco-Estrada im Konzerthaus: eine Enttäuschung.

Ein paar berührende Momente gab es schließlich doch: Wenn im Trio das Posthorn aus weiter Ferne eine schmeichelnde Melodie in den Saal schickt, die an das Volkslied „Heidschi Bumbeidschi“ erinnert, scheint ein Hauch von Unberührtheit mitzuschwingen, dass einem das Herz aufgehen kann. Dann ein Aufschrei des Orchesters – so idyllisch ist die Welt, das Leben oder die Natur nun auch wieder nicht. Chaos und Verzweiflung wohnen doch gleich nebenan. Dann lässt ein Alt-Solo Friedrich Nietzsche mahnen: „O Mensch! Gib Acht!“ Die zuvor so ergreifende Stimmung ist futsch, der Konzertalltag hat uns wieder. Dame Sarah Connolly bringt für dieses so markante und wichtige Solo lediglich ein paar gepresste, schwer verständliche Töne hervor. Was Sängerknaben und Damen der Singakademie dann aber nicht hindert, wie die Engerl zu trällern...

Szenen aus Mahlers kolossaler dritter Symphonie, diesem so bewegenden wie erschütternden Sammelsurium alles Elementaren, Existenziellen und Vergänglichen, das höchste Anforderungen an die Hundertschaften der Interpreten stellt. Im Konzerthaus, wo es bisher nur 29 Mal aufgeführt wurde, teilte es sich diesmal in aller Monumentalität so massiv wie frontal mit. Nuancen und Differenzierungen stehen bei Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada weniger auf dem Programm. Als er noch Tonkünstler-Chef war, ging er tollkühn große Mahler-Projekte an. Nun ist er gesetzter geworden. Mahler geheimnislos zu organisieren, das Bekenntnishafte eben draußen zu lassen, das haben sich die Wiener Symphoniker wahrlich nicht verdient. Sie sind zuletzt mit Adam Fischer zu weit schlüssigeren Mahler-Resultaten gekommen. Natürlich zeigten sie mit Bravour, was sie für Mahlers fantastische Klangwelten zu investieren imstande sind – im Tutti ebenso wie in glänzenden Bläsersoli. Doch in dieser Symphonie wird viel erzählt, Orozco-Estrada hat es bestenfalls konfliktfrei untermalt. Und für Illustrationen taugt Mahlers Musik nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2021)

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