Leitartikel

Europas Machtvakuum entsteht auch durch nationalen Kleingeist

Angela Merkel
Angela Merkel(c) imago images/photothek (Florian Gaertner/photothek.de via www.imago-images.de)
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Zu lang haben sich alle hinter Paris und Berlin versteckt – auch Österreich. Ohne Bereitschaft zur Mitverantwortung bleibt diese Abhängigkeit bestehen.

Und jetzt? Keine neue deutsche Regierung, der französische Präsident im anlaufenden Wahlkampf: Europa führungslos, gelähmt. Schon werden Befürchtungen laut, es könnte im kommenden halben Jahr in der EU, ja sogar weltweit, keine wichtige Entscheidung mehr getroffen werden – weder bei der Klimakonferenz noch in den Beziehungen mit den USA, China und Russland. Ein Diplomat in Brüssel sagte einmal sinngemäß: Wenn Berlin und Paris ihre Positionen in der EU abstimmen, raunt es durch die Hauptstädte, wenn sie es nicht tun, sehen dieselben Regierungsvertreter plötzlich Europa in Gefahr.

Diese Widersprüchlichkeit offenbart sich auch bei jenen nationalen Politikern, die ständig auf mehr nationale Souveränität pochen. Eine Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) aus dem Vorjahr brachte es auf den Punkt: Solang die meisten EU-Regierungen Nabelschau betreiben, werden sie geopolitisch nicht relevant sein. Österreich ist da keine Ausnahme. Die internationale Debatte – auch jene in der EU – kann gut mit Meinungsverschiedenheiten umgehen, aber nicht mit dem Hintertreiben gemeinsamer Beschlüsse. Wer wie in der Frage der Belarus-Sanktionen die Interessen einzelner nationaler Wirtschaftssektoren durch Hintertüren zu bewahren versucht, während er offiziell eine andere Linie vertritt, beschädigt seine Glaubwürdigkeit. Wer eigene bürokratische und budgetäre Widrigkeiten in der Impfstoffbeschaffung auf die gemeinsam beschlossenen Bestellungen in der EU abzuwälzen versucht, wird auf manche europäischen Partner in Zukunft nicht mehr zählen können.

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