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Pandora Papers: Ein Chateau für Babiš, von dem niemand wissen sollte

Czech Prime minister and ANO movement chairman Andrej Babis speaks during launch of election campaign of the movement,
Czech Prime minister and ANO movement chairman Andrej Babis speaks during launch of election campaign of the movement,imago images/CTK Photo
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330 Politiker, Amtsträger und Könige aus knapp 100 Ländern, Geschäftsleute bis hin zu Weltstars wie Elton John oder Shakira. Die Pandora-Papers offenbaren nach Panama- und Paradise-Papers die Offshore-Geschäfte der Reichen und Einflussreichen und der Hypo Alpe Adria.

Es ist das bisher umfangreichste Konvolut an Geheiminformationen und einmal mehr dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zugespielt wurde. Es besteht aus 11,9 Millionen Dokumenten und offenbart die internen Unterlagen von 14 Finanzdienstleistern. Insgesamt 2,94 Terabyte (1000 GB = 1TB) an Unterlagen wollen die mehr als 600 Journalisten durchforstet haben. Diese umfassen mehr als 50 Jahre und kommen besonders dem tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš ungelegen, denn am 8. und 9. Oktober wird dort das Parlament gewählt.

Den Dokumenten zufolge zahlte der tschechische Premier 22 Millionen Euro auf eine seiner Firmen auf den British Virgin Islands ein, das dann über ein Unternehmen in Washington D.C. schließlich auf dem Konto einer Tochterfirma in Monaco landete. Mit diesem Geld wurde dann das Chateau Bigaud erworben. Ein Anwesen mit 9,4 Hektar Fläche, nur wenige Kilometer von Cannes entfernt. Dazu gesellten sich 16 weitere Immobilien.

In einer ersten Reaktion sagte Babiš der Nachrichtenagentur CTK: Es sei klar, dass er weder etwas Ungesetzliches noch etwas Schlechtes getan habe. Er ortet hingegen einen Versuch, ihn „zu beschmutzen und auf diese Weise die tschechischen Parlamentswahlen zu beeinflussen".

Ganz anders als bei dem 2013 eröffneten Restaurant "Paloma", das im selben Örtchen lag, wie das Schloss, das kurz nach Babiš' Eintritt in die Politik offiziell eröffnet wurde und 2019 - mit einem riesigen Schuldenberg - wieder schloss. Während hier alles offiziell ablief, wählte man für das Anwesen in Frankreich den Weg über komplexe Offshore-Konstruktionen.

Forderungen an den Premier

Tschechische Politiker fordern unterdessen einen Nachweis für die Transaktionen bzw. dass versteuertes Geld verwendet wurde sowie einen Beweis, dass die Immobilien in Babiš' Eigentumserklärung erwähnt wurden. Komme Babišder Forderung nicht nach, habe er "kein Recht, in der Politik zu sein und sich um das Geld der Steuerzahler zu kümmern", sagte Petr Fiala, Chef der oppositionellen konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS).

Laut dem Chef der oppositionellen Piratenpartei, Ivan Bartos, hat Babiš Tschechien "ausgequetscht" und bereite nun einen "Fluchtplan für 400 Mio. Kronen (15,7 Mio. Euro) in ein Schlösschen an der Französischen Riviera" vor. Der Chef der Bürgermeisterpartei (STAN) Vit Rakusan meinte, dass die internationale Ermittlungsbehörde Interpol Babiš "später dort bestimmt finden" werde. Jan Hamacek, Parteichef der mitregierenden Sozialdemokraten (CSSD) hoffte wiederum, dass Babiš alle seine Immobilien in der Besitzerklärung erwähnt habe und dass es "nicht so ist, dass er (Babis) in Tschechien Wasser predigt und in Steuerparadiesen Wein trinkt". Nicht ganz überraschend erhielt Babis Unterstützung von dem Staatspräsidenten Milos Zeman, der als sein Verbündeter gilt.

Babiš, der in der Politik seit 2013 ist, gilt als Favorit bei den bevorstehenden Parlamentswahlen. Seine liberale Bewegung ANO kann laut der jüngsten Wählerumfrage des Prager Meinungsforschungsinstituts Stem mit 27,3 Prozent der Stimmen rechnen, während die oppositionellen Wahlbündnisse Spolu (Gemeinsam) und Piraten/Stan auf 21,4 bzw. 17,4 Prozent kommen.

Bezug zu Österreich und der Hypo Alpe Adria

In den Unterlagen finden sich auch Briefkastenfirmen vom ukrainischen Präsident Wolodimir Selenskij, der seinen Vorgänger, Petro Poroschenko, für ähnliche Geschäfte oftmals kritisierte. Auch der russische Präsident Wladimir Putin taucht, wie auch schon in den Panama Papers, auf. In mehreren Briefkastenfirmen scheinen die Namen engster Vertrauter auf.

Ein Österreich-Bezug wurde ebenfalls von den Journalisten aufgedeckt: Demnach gibt es Hinweise auf verdächtige Finanztransaktionen rund um ein Tourismusprojekt in Montenegro. "Bigova Bay" wurde damals von der Kärntner Hypo Alpe Adria finanziert. Die Abbaugesellschaft Heta zeigte sich damals zuversichtlich, die 44 Millionen Euro, die die offene Forderung ausmachte, wiederzubekommen, schließlich hatte 2013 der österreichische Milliardär Martin Schlaff mit seinem Unternehmensnetzwerk das Projekt übernommen. Doch am Ende erhielt die Heta, und damit die Republik, laut dem Bericht nur rund 13 Mio. Euro.

Wie es dazu kam, zeigten Dokumente in den Pandora-Papers. Demnach übernahm im Mai 2006 die zypriotische Briefkastenfirma DLN.RM International Investments Ltd das Projekt, zu einem Kaufpreis von symbolischen 1000 Euro. Hinter der DLN.RM stand der israelische Ex-Minister und Ex-Vizepremier Haim Ramon. Laut den Dokumenten soll aber die Unternehmensgruppe Schlaffs, unter anderem seine Privatstiftung, das Projekt weiter finanziert haben.

2016 forderte die DLN.RM von der Heta, die einen Teil des Geldes einforderte, einen Schuldenschnitt: Der "faire Marktpreis" würde "in der Region" 14 Mio. Euro betragen. In den Büchern des "Bigova Bay"-Projekts scheinen laut "profil" in den Jahren 2016 und 2018 "Vermögenswerte aus Investitionen" von über 50 Mio. Euro auf. Ebenfalls 2016 spendete die DLN.RM laut den Papieren 100.000 Euro an den israelischen Fußballklub Hapoel Tel Aviv. Dass er nur als Strohmann agierte, bestreitet Ramon auf Anfrage vehement. Auch alle anderen Vorwürfe weist er zurück, heißt es in dem Bericht.

Wenig später wurde von der DLN.RM eine Wiener Beraterfirma engagiert. Das Ziel: Die Heta zeigte sich offenbar interessiert, die Forderungen an einen Investor abzugeben, also zu verkaufen. 2017 fand sich tatsächlich ein Käufer: Die Hydra Commercial Investments LLC, die über mehrere Ecken dem Herrscherhaus der Vereinigten Arabischen Emirate nahesteht, habe die Forderungen um 13,125 Mio. Euro, so "profil".

„Übernahme bis dato nicht erfolgt"

Laut einem Anwalt der Schlaff-Gruppe wurde der Schuldenschnitt allerdings bisher nicht von Hydra an das "Bigova Bay"-Projekt weitergegeben: "Die Verbindlichkeit der BB sind - nunmehr gegenüber der Hydra - nach wie vor offen, die angedachte Übernahme des Projektes durch Hydra ist bis dato nicht erfolgt", berichtet das Nachrichtenmagazin.

Von der Heta hieß es zum "profil", das gesamte Projekt habe sich "aufgrund einer Vielzahl rechtlicher und faktischer Problemstellungen" als "wesentlich komplexer dargestellt, als Ihre Darstellung dies vermuten lässt". Mit dem Forderungsverkauf habe man zu diesem Zeitpunkt den "bestmöglich erzielbaren Preis" erzielt. Die "eingetretenen Verluste" seien "bestmöglich minimiert" worden. Andere Detailfragen blieben unter Verweis auf das Bankgeheimnis unbeantwortet.

Hunderte Personen betroffen

Die Pandora Papers drehen sich nicht nur um Politiker und Machtinhaber. Darüber hinaus scheinen auch Spitzenbeamte, Richter, Sportler und Größen aus dem Showbusiness die Offshore-Konstruktionen für sich zu nutzen. Darunter Elton John, das ehemalige Model Claudia Schiffer oder Shakira.

In Großbritannien werden etwa der britische Ex-Premierminister Tony Blair und seine Ehefrau Cherie beschuldigt, beim Kauf einer Immobilie von einem Steuerschlupfloch profitiert zu haben. Das Paar soll zwar nicht illegal gehandelt haben, wie der Sender BBC am Sonntagabend berichtete. Doch äußerte sich Blair wiederholt kritisch über Steuerschlupflöcher.

Es geht um ein Gebäude in London, das die Blairs 2017 für 6,45 Millionen Pfund (heute 7,5 Mio. Euro) erwarben. Es ist heute Sitz von Cherie Blairs Rechtsberatung sowie ihrer Stiftung. Vorheriger Besitzer war demnach eine Offshore-Firma, die auf den Britischen Jungferninseln registriert war. Die Blairs gründeten ein Unternehmen, das die Offshore-Firma aufkaufte. Das bedeutete, dass sie ein Unternehmen erwarben und keine Immobilie - daher fiel keine Grunderwerbsteuer an, die 312.000 Pfund betragen hätte. Die übernommene Offshore-Firma wurde anschließend aufgelöst.

Pandora Papers - ein Überblick

- Die "Pandora Papers"-Recherchen basieren nach Angaben der daran beteiligten Medien auf geheimen Dokumenten von 14 in Steueroasen tätigen Finanzdienstleistern und reichen bis ins Jahr 2021.

- Die Lecks sollen aus 11,9 Millionen Dokumenten bestehen. Es handle sich um das "bislang größte Datenleck zu Geschäften in Steueroasen" in einer Dimension von rund 2,9 Terabyte, hieß es.

- Zu den Profiteuren der Offshore-Dienste sollen 330 Politiker und Amtsträger aus fast 100 Ländern gehören, darunter allein 35 derzeitige oder ehemalige Staats- und Regierungschefs.

- Die "Pandora Papers" wurden dem Internationalen Consortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) von einer anonymen Quelle zugespielt. Etwa 600 Journalisten haben die Dokumente für weltweit 150 Medien in den vergangenen zwei Jahren ausgewertet.

- In Österreich waren an der Auswertung der ORF und das "profil" beteiligt. In Deutschland die "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR.

- Das Journalisten-Konsortium wurde 1997 als Projekt des "Center for Public Integrity" (CPI) gegründet. Das CPI ist eine gemeinnützige Organisation in den USA, die sich der Aufgabe verschrieben hat, "Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung durch mächtige öffentliche und private Institutionen aufzudecken".

(bagre)

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