Paris Fashion Week

Balenciaga: Ein ironischer Red Carpet und die Simpsons zu Gast

Vielleicht der Designer höchstselbst: ein verhüllter Red-Carpet-Gast bei Balenciaga.
Vielleicht der Designer höchstselbst: ein verhüllter Red-Carpet-Gast bei Balenciaga.Balenciaga
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Balenciaga-Designer Demna Gvasalia hat mit seiner ikonoklastischen „Des Kaisers neue Kleider"-Herangehensweise das modische Verwirrspiel und den Mix verschiedener Register der Popkultur bei der Pariser Modewoche einmal mehr auf die Spitze getrieben.

Es gibt derzeit einige Indizien dafür, wie einflussreich Demna Gvasalia mit seiner Arbeit bei Balenciaga ist. Popkulturell und u-musikalisch wären da einmal die Zusammenarbeit mit Kanye West und das Ausstaffieren von Kim Kardashian, an deren Seite Gvasalia gerade erst letztens über den Red Carpet der Met Gala schritt (in demselben vermummten Look, in dem er sich nun - vielleicht, wahrscheinlich! - am roten Teppich des Pariser Defilees zeigte). Und dann reicht es aber auch einfach, in Paris, am Wochenende, durchs Marais zu streifen und sich den Look der jungen Leute anzuschauen: Da ist viel potenziell Balenciaga-Inspiriertes dabei, wenn es auch, angesichts der Preisklasse der Originale, aus Second-Hand-Läden kommen mag oder sich auf Frisur- und Make-up-Inspirationen beschränkt.

Ein wenig ist es wie beim Huhn, dem Ei und dem Zuerstkommen: Destilliert Gvasalia seit jeher die Essenz eines ironiebefeuert hässlichkeitsvernarrten Pariser Looks, oder beeinflusst er ihn maßgeblich? Was das kommerzielle Potenzial seiner Arbeit betrifft, so scheint außer Frage zu stehen, dass die Begeisterung über diesen Look jene über die neoromantischen Rüschenoden von Alessandro Michele bei Kering-Schwestermarke Gucci mittlerweile übertrifft.

Isabelle Huppert als "Red Carpet"-Model für Balenciaga.
Isabelle Huppert als "Red Carpet"-Model für Balenciaga.Getty Images (Richard Bord)

Gvasalia selbst ist nach Jobs etwa bei Martin Margiela und Louis Vuitton in die erste Reihe der Modewelt getreten, als er sein eigenes Label Vetements mit seinem Bruder und einer Schar an Freundinnen und Freunden startete. Kern des Ganzen waren die Insidersicht eines ausgesuchten Zirkels auf die Mode und das Ziel, Kleidung zu machen, die so aussieht wie das, was auch Kreative in Paris eben so anhaben, wenn sie einen "independent look " pflegen.

Bei Balenciaga macht Gvasalia in puncto Ästhetik im Wesentlichen weiter das, womit er bei Vetements angetreten ist - wobei er auch mit dem Archiv von Cristóbal Balenciaga arbeitet und sein Gespür für die Modegeschichte etwa unter Beweis stellt, indem er das Maison wieder auf den Haute-Couture-Kalender befördern ließ. Es handelte sich bei der im Juli gezeigten Couture-Kollektion von Gvasalia, zugleich seiner ersten, nach jahrzentelanger Pause um die insgesamt 50. des ehrwürdigen Hauses, und im Podcast der Branchenplattform „Business of Fashion" ließ er die Modewelt wissen, Couture zu machen fühle sich für ihn an wie eine zweite Master-Arbeit. Es ist dann auch diese Achtung vor den Gepflogenheiten der „Fashion Industry“ und den Möglichkeiten in Couture-Ateliers, die Gvasalia nicht zur zum aufmüpfigen Systemstörer macht, sondern ihn als einen Designer mit höchsten Ansprüchen kennzeichnet.

Anna Wintour in Begleitung
Anna Wintour in BegleitungGetty Images (Richard Bord)

Und nun war also wieder Prêt-à-Porter an der Reihe, mit einem vielleicht nicht gerade überraschenden Gesamtbild, das erwartet sich aber derzeit niemand von Gvasalia - das Grundrezept stimmt ja. Wichtig der Fokus auf Accessoires, klobige Plateau-Crocs etwa oder Sonnenbrillen, die aussehen wir aus der Schublade eines Ex-Ravers gefischt. Viel Schwarz, viele Oversized-Silhouetten, gigantisch breite Schultern waren zu sehen. Sogar Anna Wintour wich von ihrem angestammten vestimentären Gesamtbild etwas ab, um sich harmonisch einzufügen.

Einzufügen in jenen Red-Carpet-Aufmarsch vor dem Théâtre du Châtelet in Paris, bei dem nicht ganz klar war, wer Ehrengast war, wer Model und somit Teil der „Red Carpet"-Sommerkollektion. Neben der erwähnten „Vogue"-Doyenne war etwa Naomi Campbell da, Isabelle Huppert - erst beim Durchsehen der Kollektionsbilder im nachhinein zeigte sich, wer in „Spring Summer 2022" gekleidet war und somit Teil des Model-Promi-Auflaufs für die eigentliche Kollektionspräsentation - und wer nur (prominenter) Zaungast.


Fand also das ironische Verwirrspiel um Red-Carpet-vernarrte Präsentationen und eigentliche Catwalkshows bereits vor dem Theater statt, gab es im Inneren später ein besonderes Schmankerl zu sehen, das - wiederum - Demna Gvasalias Faible für den Mix aus „High“ und „Low“ widerspiegelte. Das Maison Balenciaga hatte nämlich eine etwa 10-minütigen Episode der „Simpsons“ in Auftrag gegeben, in der es um ein sündhaft teures Geburtstagsgeschenk und einen wahr gewordenen Modetraum von Marge Simpson geht, einen Befreiuungschlag für das triste Städtchen Springfield durch Demna Gvasalia und eine VIP-Modeschau der „Simpson"-Belegschaft in Paris.

Auf dem roten Teppich außerhalb des Theaters waren zwar keine Simpsons zu sehen gewesen (bei einem Tiktok-Spektakel wie letztens in Mailand hätte man womöglich sogar Maskottchen tanzen lassen), aber vielleicht hat ja die richtige Modeschau gleich ganz in der Cartoonwelt stattgefunden. Ein wenig an Verwirrung bleibt, ganz im Sinne von Demna Gvasalia mit seiner „Des Kaisers neue Kleider"-Herangehensweise, aufrecht.

Zum Weiterlesen: „Demna Gvasalias rechte Hand kommt aus Österreich"

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