Steueroasen

Pandora Papers: Diese (Ex-)Politiker haben Erklärungbedarf

Archivbild aus den letzen Tagen von Tony Blairs Amtszeit - als er und seine Frau Cherie zu einer Audienz bei der Queen in London vorfuhren.
Archivbild aus den letzen Tagen von Tony Blairs Amtszeit - als er und seine Frau Cherie zu einer Audienz bei der Queen in London vorfuhren.(c) REUTERS (Luke MacGregor)
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Fast 12 Millionen Dokumente sollen die Offshore-Geschäfte zahlreicher Politiker offenlegen. Kurz vor der Wahl trifft das in Tschechien Premier Babiš, aber auch den ukrainischen Präsidenten Selenskij oder seinen kenianischen Amtskollegen Kenyatta.

Die "Pandora Papers" enthüllen nach Angaben eines internationalen Recherchenetzwerkes die heimlichen Geschäfte hunderter Politiker und Unternehmen mit Briefkastenfirmen. Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) veröffentlichte am Sonntag einen Teil der Rechercheergebnisse zur Verstrickung von mehr als 330 Politikern und Amtsträgern aus 91 Ländern wie etwa Tschechiens Premier Andrej Babiš oder des britischen Ex-Premiers Tony Blair in Offshore-Geschäfte. Ein Überblick über die vorerst bekannten Geschäfte der (Ex-)Politiker.

Tschechien: Premier Andrej Babiš

Einem Politiker schaden die Enthüllungen derzeit ganz besonders: dem tschechischen Premier Babiš, der sich am kommenden Wochenende der Wiederwahl stellt. Seine Partei ANO führt in Umfragen bisher ganz klar. Noch vor seiner Zeit als Politiker soll Babiš laut "Pandora Papers" weitgehend anonym - über komplexe Offshore-Konstruktionen unter anderem ein schlossartiges Anwesen in Südfrankreich für mehr als 15 Millionen Euro erstanden haben. Diese Besitztümer deklarierte er bei seinem Eintritt in die Politik nicht, obwohl das tschechische Gesetz dies verlangt.

In einer ersten Reaktion erklärte Babiš am Sonntagabend gegenüber der tschechischen Nachrichtenagentur CTK, er habe nichts Ungesetzliches getan, der Bericht sei lediglich ein Versuch, ihn zu diskreditieren und die Wahl zu beeinflussen. Das Schloss an der Côte d'Azur ist nicht die erste Immobilie, die Babiš in Erklärungsnotstand bringt. Seit Jahren laufen Ermittlungen der EU und der tschechischen Polizei in der "Storchennest-Affäre".

Großbritannien: Tony und Cherie Blair

In Großbritannien werden der britische Ex-Premierminister Tony Blair und seine Ehefrau Cherie beschuldigt, beim Kauf einer Immobilie von einem Steuerschlupfloch profitiert zu haben. Das Paar soll zwar nicht illegal gehandelt haben, wie der Sender BBC am Sonntagabend berichtete. Doch äußerte sich Blair wiederholt kritisch über Steuerschlupflöcher.

Es geht um ein Gebäude in London, das die Blairs 2017 für 6,45 Millionen Pfund (heute 7,5 Mio. Euro) erwarben. Es ist heute Sitz von Cherie Blairs Rechtsberatung sowie ihrer Stiftung. Vorheriger Besitzer war demnach eine Offshore-Firma, die auf den Britischen Jungferninseln registriert war. Die Blairs gründeten ein Unternehmen, das die Offshore-Firma aufkaufte. Das bedeutete, dass sie ein Unternehmen erwarben und keine Immobilie - daher fiel keine Grunderwerbsteuer an, die 312.000 Pfund betragen hätte. Die übernommene Offshore-Firma wurde anschließend aufgelöst.

Die Blair-Stiftung verteidigte sich am Montag und griff die britische Zeitung „Guardian“ direkt an. Die Zeitung stelle den Kauf von Cherie Blairs Bürogebäuden weiterhin absichtlich falsch dar. Sie hätten ihre Steuern immer in vollem Umfang gezahlt und nie irgendwelche Offshore-Vermeidungsstrategien angewandt, heißt es in einem Statement auf Twitter.

Russland: Umfeld von Präsident Putin

Der Kreml hat die Veröffentlichung der "Pandora-Papers" als eine Ansammlung "unbewiesener Behauptungen" kritisiert. Es gebe allenfalls Grund, die Rolle der USA als größte Offshore-Lagune und größte Steueroase zu hinterfragen, sagte Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Keinen Anlass sehe er allerdings, auf Grundlage der Recherchen irgendwelche Überprüfungen einzuleiten.

Der russische Staatschef selbst ist den Recherchen zufolge nicht als Kunde einer der Offshore-Anbieter aufgeführt, wohl aber zahlreiche enge Vertraute, die gleichzeitig mit Putins politischem Aufstieg Geld zumeist ungeklärter Herkunft anonym in Steueroasen angelegt hätten. Leonid Wolkow, Mitarbeiter des inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny, geht laut "Süddeutscher Zeitung" davon aus, dass etliche dieser Leute als "Strohmänner für Putins Vermögen" fungieren. Peskow meinte dazu: "Wir haben da ehrlich gesagt keinerlei versteckte Reichtümer der nahen Umgebung Putins gesehen."

Auffällig ist auch der Fall einer Frau namens Swetlana Kriwonogich, mit der Putin laut unbestätigten Berichten eine Tochter haben soll. Nach Angaben der "Süddeutschen", die an der Auswertung der "Pandora Papers" beteiligt war, ist Kriwonogich Eigentümerin einer Briefkastenfirma, die wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter gegründet wurde.

Mittels der Briefkastenfirma erstand Kriwonogich demnach ein 3,6 Millionen Euro teures Appartment in Monaco. Laut "Süddeutscher" stammt die Frau aus armen Verhältnissen - woher das Geld für den Wohnungskauf stammt, ist völlig unklar.

"Wenn es ernsthafte Veröffentlichungen gibt, die auf etwas basieren, auf etwas Bestimmtes verweisen, dann werden wir uns mit dem Interesse vertraut machen. Bisher sehen wir keinen Grund", meinte Peskow.

Selenskij, Kenyatta, Anastasiadis

Der jordanische König Abdullah II. bezeichnete die Leaks als diffamierend, nachdem ihm vorgewurfen wurde, dass er seinen Besitz von Immobilien über eine Reihe von Offshore-Firmen verschleiert hätte. In einer Erklärung sagte er, die Berichte enthielten "Ungenauigkeiten und verzerrten und übertrieben die Fakten".

Auch etwa der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie Kenias Staatschef Uhuru Kenyatta tauchen als Nutzer von Offshore-Firmen auf. Weitere betroffene Politiker sind die aserbaidschanische Herrscherfamilie, der jordanische König oder etwa Zyperns Präsident Niko Anastasiadis, der demnach selbst aktiv im Offshore-Geschäft mit seiner Kanzlei tättig war, die mittlerweile von seinen Töchtern geführt wird.

Neben über 30 (ehemaligen) Staatslenkern, kommen auch die Namen vieler Prominenter in den Pandora Papers vor - wie etwa das Model Claudia Schiffer, Shakira, Ringo Starr, Julio Iglesias oder Elton John. Schiffer und Shakira gaben gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ an, dass sie sich an alle Gesetze und Vorschriften gehalten hätten. Ringo Starr soll demnach zunächst nicht auf eine Anfrage reagiert haben.

Pandora Papers - ein Überblick

- Die "Pandora Papers"-Recherchen basieren nach Angaben der daran beteiligten Medien auf geheimen Dokumenten von 14 in Steueroasen tätigen Finanzdienstleistern und reichen bis ins Jahr 2021.

- Die Lecks sollen aus 11,9 Millionen Dokumenten bestehen. Es handle sich um das "bislang größte Datenleck zu Geschäften in Steueroasen" in einer Dimension von rund 2,9 Terabyte, hieß es.

- Zu den Profiteuren der Offshore-Dienste sollen 330 Politiker und Amtsträger aus fast 100 Ländern gehören, darunter allein 35 derzeitige oder ehemalige Staats- und Regierungschefs.

- Die "Pandora Papers" wurden dem Internationalen Consortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) von einer anonymen Quelle zugespielt. Etwa 600 Journalisten haben die Dokumente für weltweit 150 Medien in den vergangenen zwei Jahren ausgewertet.

- In Österreich waren an der Auswertung der ORF und das "profil" beteiligt. In Deutschland die "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR.

- Das Journalisten-Konsortium wurde 1997 als Projekt des "Center for Public Integrity" (CPI) gegründet. Das CPI ist eine gemeinnützige Organisation in den USA, die sich der Aufgabe verschrieben hat, "Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung durch mächtige öffentliche und private Institutionen aufzudecken".

>>> icij.org

>>> ORF.at

>>> profil.at

>>> Süddeutsche Zeitung

Panama Papers führten zu mehreren Rücktritten

Dem ICIJ wurden die Dokumente eigenen Angaben zufolge von einer anonymen Quelle zugespielt. Die geheimen Dokumente von 14 in Steueroasen tätigen Finanzdienstleistern reichen über fünf Jahrzehnte bis ins Jahr 2021, wobei die meisten zwischen 1996 und 2020 erstellt wurden. Die "Pandora Papers" seien damit das bisher größte Datenleck zu Geschäften in Steueroasen. Sie enthalten Informationen über mehr als 29.000 Eigentümer von Offshore-Vermögenswerten. Das sind doppelt so viele wie bei den Panama-Papers.

Die Regierung von Panama hatte bereits vor der Veröffentlichung der Pandora Papers vor schweren Schäden für das Image des Landes wie infolge der Panama Papers 2016 gewarnt. Damals hatte ein anonymer Whistleblower der "Süddeutschen Zeitung" mehr als elf Millionen interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca zugespielt. Eine Auswertung in Zusammenarbeit mit dem ICIJ enthüllte ein ausgeklügeltes System zur globalen Steuervermeidung.

Nach der Veröffentlichung mussten etliche Politiker - darunter der damalige isländische Regierungschef Sigmundur Gunnlaugsson und der pakistanische Premierminister Nawaz Sharif - von ihren Ämtern zurücktreten. Weltweit wurden tausende Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Der internationalen Medien zugespielte Datenberg zeigte damals große Geldströme nach Panama, wo Tausende Briefkastenfirmen angesiedelt sind. Ob es sich dabei auch um strafbare Geschäfte handelt, prüften weltweit Staatsanwälte. Die 11,5 Millionen Dateien umfassten E-Mails, Urkunden und Kontoauszüge zu 214.000 Gesellschaften vor allem in der Karibik. Dabei tauchten die Namen von 140 Politikern oder Politikervertrauten auf.

(APA)

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