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Ex-Managerin Haugen im US-Kongress: Eine volle Breitseite gegen Facebook

Frances Haugen sagte am Dienstag vor dem US-Kongress aus.
Frances Haugen sagte am Dienstag vor dem US-Kongress aus.APA/AFP/POOL/JABIN BOTSFORD
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Aussagen der ehemaligen Managerin Frances Haugen setzen Facebook weiter zu. EU-Kommissarin Vestager erklärt nach dem stundenlangen Ausfall der Dienste, man dürfe sich nicht nur auf wenige große Spieler verlassen.

Die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin und Whistleblowerin Frances Haugen hat vor dem US-Kongress eine strenge Regulierung des Online-Riesen gefordert. "Ich glaube, dass die Produkte von Facebook Kindern schaden, Spaltung anheizen und unsere Demokratie schwächen", sagte die 37-Jährige am Dienstag vor einem Senatsausschuss. "Der Kongress muss handeln. Sie (die Facebook-Verantwortlichen) werden diese Krise nicht ohne Ihre Hilfe lösen."

Haugen warf Facebook vor dem Unterausschuss für Verbraucherschutz, Produktsicherheit und Datensicherheit vor, eigene Gewinne über die Sicherheit von Menschen zu stellen - mit verheerenden Folgen für Demokratie und Gesellschaft. "Die Unternehmensführung weiß, wie Facebook und Instagram sicherer gemacht werden können. Sie nimmt aber nicht die notwendigen Änderungen vor, weil sie ihre astronomischen Profite über die Menschen gestellt hat."

Mit Blick auf den stundenlangen Ausfall von Facebook und seinen Tochterdiensten Instagram und Whatsapp am Montag sagte Haugen, in dieser Zeit sei Facebook "nicht dazu genutzt worden, Spaltungen zu vertiefen, Demokratien zu destabilisieren und junge Mädchen und Frauen sich schlecht fühlen zu lassen".

Erst am Sonntag hatte sich Haugen als die Whistleblowerin zu erkennen gegeben, die interne Dokumente des Konzerns an Behörden und das "Wall Street Journal" weitergereicht hatte. Die frühere Facebook-Produktmanagerin zum Thema Falschinformationen wirft dem Unternehmen vor, auf der Suche nach Profiten bewusst Algorithmen einzusetzen, die spalterische und schädliche Inhalte fördern.

Den Enthüllungen zufolge kam Facebook zudem bei seinen eigenen Untersuchungen selbst zu dem Schluss, dass insbesondere die Fotoplattform Instagram der psychischen Gesundheit von Jugendlichen schaden könne. So zitierte das "Wall Street Journal" den Satz: "Wir machen Probleme mit dem eigenen Körperbild für eine von drei Teenagerinnen schlimmer."

„Das Unternehmen verheimlicht Informationen bewusst"

Haugen warf Facebook bei der Kongressanhörung vor, die Öffentlichkeit wiederholt in die Irre geführt zu haben. "Ich habe eine erschreckende Wahrheit erkannt: Fast niemand außerhalb von Facebook weiß, was innerhalb von Facebook passiert", sagte die Datenspezialistin. "Das Unternehmen verheimlicht wichtige Informationen bewusst vor der Öffentlichkeit, vor der US-Regierung und vor Regierungen in aller Welt." Wichtig sei deswegen "volle Transparenz".

Haugen zog dabei Parallelen zur Zigarettenindustrie: "Als wir herausgefunden haben, dass die Tabakindustrie den Schaden verschleierte, den sie verursachte, hat die Regierung gehandelt."

Facebook hat die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. Der Konzern ist durch die Enthüllungen aber massiv unter Druck geraten. Schon seit Jahren gibt es Forderungen nach einer strengeren Regulierung von Online-Plattformen.

Instagram und andere Plattformen, die auf die Selbstinszenierung der Nutzerinnen und Nutzer setzen, geraten immer wieder in die Kritik, vor allem Minderjährige nicht ausreichend vor den Nachteilen zu schützen - etwa vor Cybermobbing oder psychischen Problemen. Zuletzt legte Facebook nach einer Welle der Kritik die Entwicklung einer Instagram-Version für Kinder auf Eis.

Ocasio-Cortez: „Zerschlagt sie jetzt"

Senator Ed Markey, Autor diverser Gesetze zur Internet-Regulierung, richtete ungewöhnlich scharfe Worte an die Adresse von Facebooks Gründer und Chef Mark Zuckerberg: "Ihre Zeit der Invasion in unsere Privatsphäre, der Verbreitung toxischer Inhalte und der Beutezüge gegen unsere Kinder und Teenager ist vorbei." Der US-Kongress werde handeln, kündigte Markey an. "Sie können mit uns zusammenarbeiten oder auch nicht - aber wir werden nicht länger zulassen, dass Ihr Unternehmen unseren Kindern, Familien und unserer Demokratie schadet", schimpfte der Demokrat.

"Zerschlagt sie jetzt", forderte die einflussreiche demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Sie verwies darauf, dass Instagram und WhatsApp nicht betroffen gewesen wären, wenn man deren Übernahme durch Facebook einst verhindert hätte. Die Demokraten halten mit Präsident Joe Biden das Weiße Haus sowie auch knappe Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat. Doch in der Kritik an Facebook demonstrieren Republikaner und Demokraten seltene Eintracht.

Vestager will mehr Wettbewerb

Der fast sechsstündige weltweite Ausfall aller Facebook-Dienste hat auch in der EU für Kritik an der Vorherrschaft des US-Konzerns gesorgt. Der Vorfall zeige, dass es Bedarf an mehr Wettbewerb gebe, schrieb die für Wettbewerb und Digitales zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager am Dienstag auf Twitter.

Nach einem Konfigurationsfehler konnten die 3,5 Milliarden Nutzer- mehr als jeder dritte Bewohner der Erde - der Facebook-Plattform, von WhatsApp, Instagram und dem Messenger stundenlang nicht auf dieDienste zugreifen. Viele wandten sich daraufhin Konkurrenten wie Twitter, TikTok und Signal zu. Der Störungsplattform DownDetector.com zufolge handelte es sich um den umfangreichsten jemals aufgezeichneten Ausfall.

Vestager nutzte die Gelegenheit, um auf die Dominanz des Tech-Konzerns hinzuweisen: "Man darf sich nicht nur auf einige wenige große Spieler verlassen." Das sei auch das Ziel des Digital Markets Acts (DMA). An den neuen Regelungen zur Kontrolle großer Technologiekonzern werde gerade auf EU-Ebene gearbeitet. Der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder, verwies darauf, dass es insbesondere für Unternehmen wichtig sei, "die eigene Kommunikation auf mehrere Kanäle zu verteilen und Alternativen zu haben, die bei einem Ausfall der primär genutzten Dienste eingesetzt werden können".

Russland droht mit Strafen

Und auch aus Russland droht Facebook Ungemach - in einer ganz anderen Causa. Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor drohte Facebook am Dienstag mit einer Strafe von "fünf bis zehn Prozent" des "Jahresumsatzes" - ohne zu spezifizieren, ob es sich um den Umsatz in Russland oder weltweit handelt. Laut der Wirtschaftszeitung "Wedomosti" verdient Facebook in Russland umgerechnet Hunderte Millionen Euro.

Roskomnadsor reichte eigenen Angaben zufolge eine Beschwerde gegen Facebook ein, weil der Internetgigant sich wiederholt geweigert habe, "gefährliche" Informationen von seinen Plattformen zu entfernen. Ein Gericht wird demnach einen Termin für die Anhörung festlegen und die Höhe einer möglichen Geldstrafe festlegen.

(APA/Reuters)

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