Kolumne „Führungsfehler“. Ein IT-Unternehmen, spezialisiert auf mobile Arbeitsausstattung - Laptops, VPN-Tunnel, Security. Also auf all das, was während der Lockdowns so dringend gebraucht wurde. 2020 explodierte das Geschäft förmlich.
Die Teams butterten hinein, was ging. Man wollte mehr Leute aufnehmen, aber die gab es im Markt kaum. Also machten alle Überstunden, verschoben ihre Urlaube, ins Jahr 2021 hinein. Die Geschäftsleitung genehmigte das ausnahmsweise, weil die Erträge die Rückstellungen bei weitem überstiegen. Zwar raufte sich der Controller die Haare, aber der Vertriebsleiter setzte sich durch: Umsatz über alles.
Zu Jahresende bat der Controller die HR-Chefin, gestaffelt Urlaub und Zeitausgleich anzuordnen. Oder wenigstens zu Weihnachten Betriebsurlaub.
Niemals, konterte der Vertriebsleiter. Er hatte schon durchgeplant, was in der stillen Zeit um Weihnachten alles abgearbeitet werden könnte. Formal aber entdeckte er seine soziale Ader und sprach sich vehement gegen einen „Zwangsurlaub zur Unzeit“ und gegen „Urlaubsraub – weil jetzt hat man ja nichts davon“ aus.
Er setzte sich durch, unterstützt von den meisten seiner Leute. Die planten längst den Urlaub ihres Lebens – zwölf Wochen am Stück ging sich für die meisten aus. Und ein paar Einzelwochen obendrein. 2021 konsumierten sie das dann auch, beinhart.
Jetzt war es an Vertriebsleiter und Geschäftsführung, sich die Haare zu raufen. Verhindern konnten sie es nicht. Sie ließen eine Menge Umsatz liegen.
Und heimlich, ganz heimlich, lachte sich der Controller ins Fäustchen.
Diese Kolumne startete im Jänner 2015 mit dem Anspruch, die lustigen, traurigen, zum Kopfschütteln anregenden, manchmal tragischen Varianten von Führungsfehlern abzubilden. Die finden sich überall: im gigantischen Konzern wie in der Kleinfamilie.
Wenn Sie einen Führungsfehler loswerden wollen, schreiben Sie an: andrea.lehky@diepresse.com
Ähnlichkeiten mit realen Personen und Organisationen sind zufällig und nicht beabsichtigt.