Netflix-Serie

"Maid": Hier wird Armut nicht romantisiert

Alex verlässt den Vater ihres Kindes und landet damit rasch in der Armut.
Alex verlässt den Vater ihres Kindes und landet damit rasch in der Armut.(c) RICARDO HUBBS/NETFLIX (RICARDO HUBBS/NETFLIX)
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Die Miniserie „Maid“ erzählt die Geschichte einer jungen Mutter, die als unterbezahlte Putzfrau versucht, ihr Kind durchzubringen. Sehr Sehenswert.

Bevor Alex an die Arbeit geht, zieht sie einen hässlichen blauen Kittel aus Kunststoff über. Er und ein Markenstaubsauger, den sie täglich wieder abliefern muss: Das ist die Ausstattung, die sie für einen unterbezahlten Job als Putzfrau bekommen hat. Die Bürsten, mit denen sie kniend den Boden schrubbt, die Bleiche, mit der sie die Badezimmer bearbeitet, kaufte die junge, schöne Frau selbst. Ihr Äußeres ist es, das bei der neuen Netflix-Serie „Maid“ zu Anfang irritiert. Dieses ebenmäßige, nachdenkliche, ungeschminkte Gesicht, das beinahe aristokratisch wirkt: Wie glaubwürdig ist es, dass diese Frau kein Geld, keine Unterstützung hat, dass sie mit ihrem Kind quasi obdachlos wird?

Die überstürzte Flucht der Protagonistin aus einer von Gewalt überschatteten Beziehung erklärt das nur zum Teil. Die Szene, wie sie panisch ihr kleines, schlafendes Kind ins Auto packt, um so schnell wie möglich wegzukommen, wiederholt sich übrigens mehr als einmal. Aber ja: Die Figur der Alex (auf stille Weise kämpferisch: Margaret Qualley), die keinen Plan für ihr Leben hat, wird mit der Zeit greifbar, die Bruchstücke fügen sich zusammen.

Vor allem das dysfunktionale Elternhaus: Ihre Mutter (großartig: Andie MacDowell als manische, erfolglose Künstlerin) und ihr Vater beachteten Alex' Bedürfnisse kaum. Sie selbst kompensiert, widmet sich hingebungsvoll ihrer eigenen Tochter. Auch, wenn sie an ihre Grenzen kommt. Wenn sie eines Nachts mit ihr am Boden einer Wartehalle strandet – neben sich, als neues Fixum in ihrem Leben, den Staubsauger. Oder wenn sie die bald Dreijährige krank in die Kinderbetreuung bringt.

Andie MacDowell gibt die bipolare Großmutter.
Andie MacDowell gibt die bipolare Großmutter.(c) RICARDO HUBBS/NETFLIX (RICARDO HUBBS/NETFLIX)



Alex darf die Arbeit als Putzfrau nicht verlieren. Sie bringt das wenige Geld, das zwischen einer schimmligen Wohnung und dem Leben auf der Straße steht. So wischt und putzt sie bis zur Erschöpfung in fremden Häusern. Die junge Mutter entdeckt aber einen Reiz an dieser fantasielosen Tätigkeit: Während die Menschen ihre Existenz kaum wahrnehmen, dringt sie gedanklich und auch physisch in ihr Leben ein, öffnet Schubladen, Kästen und versteckte Türen. Und abends ihr Notizheft, um darüber zu schreiben. Mit gut gesetzten Worten.

Der kleine Rechner im Kopf

Armut, Gewalt und die grenzenlose Liebe zum Kind, die sich in sonnendurchfluteten Bildern immer wieder in den Vordergrund drängt: Zwischen diesen Polen bewegt sich die Serie in zehn Folgen, die auf dem Bestseller „Maid: Hard Work, Low Pay, and a Mother's Will to Survive“ der US-Autorin Stephanie Land basiert.

Selten werden die alltäglichen Auswirkungen von Armut so eindrücklich gezeigt wie hier: der kleine Rechner im Kopf, der beim Einkaufen immer mitlaufen muss, oder die Überforderung beim Antragstellen. Die strauchelnde Mittelschicht und das politische System, das keinen Rückhalt bietet, waren auch Thema im vielfach ausgezeichneten Film „Nomadland“ von Chloé Zhao. Anders als dort spielt das amerikanische Freiheitsideal in „Maid“ aber keine Rolle, stattdessen die Suche nach Sicherheit.

Der Ton ist dabei nie mitleidheischend, das Elend wird nicht romantisiert. Die Miniserie beleuchtet schlicht ein Leben mit Niederlagen. Und dann auch Triumphen. Ist die Geschichte glaubwürdig? Bald stellt sich diese Frage nicht mehr, weil einfach so gut erzählt wird.

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