Ermittlungen

ÖVP-Chats: "Wer zahlt schafft an. Ich liebe das"

Screenshot aus der Anordnung der WKStA zur Hausdurchsuchung
Screenshot aus der Anordnung der WKStA zur HausdurchsuchungPresse
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Die WKStA bezieht sich in der Anordnung für die Hausdurchsuchungen in der ÖVP-Zentrale, im Bundeskanzleramt und im Finanzministerium auf Chats, die auf dem Handy von Thomas Schmid sichergestellt wurden. Ein Auszug.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), mehrere seiner Vertrauten, zwei Meinungsforscherinnen und die Mediengruppe „Österreich“ ins Visier genommen. Es geht um den Verdacht auf Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit sowie Beitragstäterschaft dazu - und zwar im Zusammenhang mit für Kurz positive Umfragen, die vom Finanzministerium über Scheinrechnungen mit Steuergeld bezahlt worden sein sollen. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

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In einer 104 Seiten langen Anordnung für (am Mittwoch durchgeführte) Hausdurchsuchungen bezieht sich die WKStA immer wieder auf Chats, die auf dem Handy des früheren Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, sichergestellt wurden. Ein Auszug aus diesen Chats:

Am 15. März 2016 soll Schmid die damalige Familienministerin (davor und danach Meinungsforscherin) Sophie Karmasin sowie „Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner und dessen Bruder Helmuth Fellner im Lokal Motto am Fluß getroffen haben, um den Umfragen-Plan zu besprechen. Im Anschluss daran schrieb er an Kurz:

Schmid: Gute News bei der Umfrage Front. Sophie weiß ich nicht ob ich überreden konnte. Sie ist noch voll auf...

Kurz: kann ich mit ihr reden?

Schmid: Ja bitte! Sie ist so angefressen wegen Mitterlehner; weil er ihr in den Rücken gefallen ist. Habe jetzt 3 Stunden mit ihr gesprochen. Und spindi auf sie angesetzt.

Wenn du ihr sagst dass jetzt nicht die Welt untergeht. Und das Mitterlehner eben ein arsch war usw. Hilft das sicher.

Kurz: passt mach ich.

Am 27. Juni 2016 schrieb ein damaliger Ministeriumssprecher an Schmid:

Ministeriumssprecher: Fellner hat sich an keine Abmachung gehalten. Für Sa/So war ausgemacht Daten aus der Umfrage zu bringen. Nix gebracht. Stattdessen ist heute eine Insider Geschichte drinnen über HBM Grundkauf am Mondsee und gescheiterte Bauplatzwidmung. Müssen nachher bitte reden.

Schmid darauf an Karmasin: Das ist ehrlich gesagt Vertrauensbruch - da sollte man das dann besser lassen

Karmasin: Ich urgiere Erklärung und melde mich dann LGs

Schmid: Danke

Am selben Tag schrieb Schmid an Karmasin sowie Wolfgang und Helmuth Fellner:

Schmid: Liebe Fellners, ausgemacht war: DO: BREXIT. Sa: Maschinensteuer. So: wirtschaftskompetenz und Standort, schuldenabbau und Einsatz von Steuergeld. Erschienen ist jedoch - private Story von Schelling. Das ist eine echte Frechheit und nicht vertrauensbildend. Wir sind echt sauer!!! Mega sauer.

Wolfgang Fellner: Versteh ich voll - melde mich in 30 minuten - mache jetzt volle doppelseite ueber umfrage am mittwoch. Okay? Wolfgang fellner.

Im September 2016 soll das Unternehmen der Meinungsforscherin B. mit der gesamten Politikforschung für „Österreich“ beauftragt worden sein. Schmid informierte Kurz am 6. September:

Schmid: Habe echt coole News! Die gesamte Politikforschung im Österreich wird nun zu B. wandern. Damit haben wir Umfragen und Co im besprochenen Sinne ;-))

Im Dezember 2016 sollen Schmid und B. laut WKStA erstmals eine verdeckte Abrechnung besprochen haben.

B.: Lieber Herr Schmid! Was ich noch fragen wollte: kann ich den Betrag für die Erhebung bei dr qualittativen Studie dazurechnen?

Schmid: Ja

B.: Danke

Ab Anfang 2017 soll Schmid regelmäßig Umfragen beauftragt haben, deren Fragen auch von Kurz und seinen Vertrauten vorgegeben worden seien, und die in „Österreich“ veröffentlicht wurden.

Am 8. Jänner 2017 schrieb „Österreich“, dass die ÖVP „im Umfrage-Keller“ sei. Ein Ministeriumssprecher schickte ein entsprechendes Foto an Schmid.

Ministeriumssprecher: Der B. hab ich gestern noch angesagt was sie im Interview sagen soll

Schmid: *Applaus-Emojis*

So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen

Geniales investment

Und Fellner ist ein Kapitalist

Wer zahlt schafft an

Ich liebe das

Am selben Tag schrieb Kurz an Schmid:

Kurz: Danke für Österreich heute!

Schmid: Immer zu Deinen Diensten :-))

Die WKStA sieht diese Nachricht als Hinweis darauf, dass Kurz „in die Vereinbarungen eingebunden war und Schmid in seinem Auftrag handelte.“ Bei der Umfrage sei es den Beschuldigten darum gegangen, eine interne Führungsdiskussion zu entfachen.

Mehrere weitere Chatverläufe sollen belegen, dass regelmäßig Fragestellungen von Umfragen - und teilweise auch gewünschte Ergebnisse - abgesprochen wurden.

Am 26. Juli 2017 etwa schrieb Schmid an den damaligen ÖVP-Generalsekretär Stefan Steiner und den stellvertretenden Kurz-Kabinettschef Gerald Fleischmann:

Schmid: Haben wir fragen für Umfragen. Montag geht Österreich ins Feld

Fleischmann: Vorschlag - wenn für Stefan ok: Wem kostet Pilz? Grobe stark, Sozis Mittel, bissl neos, blau kaum und VP so gut wie nichts

Und wofür steht Liste Pilz? Linke Politik: stark, rechte Politik: 0

Steiner: Finde ich gut.

Am 31. August 2017schrieb B. an Schmid:

B.: Hallo Thomas! Möchtest du bei der aktuellen Ö Studie Fragen anhängen? Bitte um Info bis 15 Uhr. Danke

Schmid: Vorschlag: Wem kostet Pilz

Und wofür steht Liste Pilz? Linke Politik: stark, rechte Politik...

Ginge das?

B.: Ja klar! ich formuliere es noch aus und schicks dir per Mail.

Schmid: Danke

Am 2. August 2017 soll B. die Auswertung der Umfrage an Schmid gesendet haben.

B.: Hi! Hab dir die Auswertung geschickt. Bitte gib, Bescheid, ob ich sie so an Ö. weiterleiten soll.

Schmid: ok

Bitte an Ö weiterleiten

B.: Habs gerade an WF geschickt. Ging leider nicht früher, bei mir in NY ist ja 8:30. Rufst du ihn noch zusätzlich an, damit er es eh veröffentlicht? Danke, lg

Schmid: Ok

In Schmid sieht die WKStA die „Schlüsselperson zur Verwirklichung der Tathandlungen“ und die „Drehscheibe“ zwischen den Beschuldigten. Als Beleg für dessen „besonderes Vertrauensverhältnis“ zu Kurz dient in der Anordnung zur Hausdurchsuchung etwa folgender Chat vom 10. Oktober 2018:

Schmid: Danke dass du mich gleich angerufen und betoniert hast. Das macht eine Freundschaft aus. Wir haben gestern geplaudert. Ich war einfach zu unachtsam. Das tut mir leid. Ich bin einer deiner Prätorianer der keine probleme macht sondern löst. LG Thomas

Kurz: Lieber Thomas! Wir kennen uns gegenseitig und halten das auch aus. War mir nur wichtig dir das direkt zu sagen. AL

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