Vorwürfe gegen ÖVP

So berichten internationale Medien: "Das hat in Österreich schon lange System"

Archivbild aus dem Jahr 2017.
Archivbild aus dem Jahr 2017.APA/AFP/JOE KLAMAR
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Die mutmaßliche Inseratenkorruption beschäftigt auch internationale Zeitungen, vor allem im Nachbarland Deutschland, wo Kanzler Kurz gern gesehener Talkshowgast ist.

Die Ermittlungen gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
und sein engstes Umfeld wegen mutmaßlicher Inseratenkorruption
erschüttern die türkis-grüne Koalition und sorgen auch für Medienberichterstattung in internationalen Medien. Vor allem in Deutschland wird breit über die Causa berichtet, schließlich galt Sebastian Kurz als eine Art Vorbild für viele in der deutschen CDU/CSU. Kurz ist regelmäßig Gast in deutschen Talkshows. Aber auch in den großen Zeitungen der EU ist die Umfragen-/Inseraten-Affäre Thema.

Die deutsche Wochenzeitung „Stern“ hatte Donnerstagvormittag dem Thema Österreich online den obersten Artikel gewidmet - unter dem Titel „Der verwundete Wunderwuzzi: Wie Sebastian Kurz Österreich in die Staatskrise stürzen könnte“ schreibt Korrespondent Markus Huber: „Es war Mittwochabend kurz nach 22 Uhr als sich Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz tatsächlich für ein Live-Interview in Österreichs wichtigste Nachrichtensendung im ORF setzte, um über die Vorwürfe des Tages zu sprechen. Das war an sich schon ein ungewöhnlicher Move. Noch ungewöhnlicher war allerdings, dass Kurz in diesem Fernsehauftritt keine überzeugende Geschichte zu erzählen hatte, sondern nicht viel mehr tat, als die Vorwürfe, die im Lauf des Tages erhoben wurden, zu bestreiten.“ Es bleibe die Frage, ob die Grünen die Koalition aufrechterhalten wollen und ob die ÖVP auch ohne Sebastian Kurz in der Regierung bleiben würde. „Denn seit Kurz die ÖVP übernommen hat, gibt es so etwas wie innerparteiliche Rivalen nicht. Die hat er seit seiner Machtübernahme erfolgreich aus dem Weg geschafft. Mit legalen Mitteln. Dachte man zumindest bisher."

>> Der Artikel im „Stern"

Im „Spiegel“, wo das Interview von Kurz in der ORF-Sendung ZiB2 am Donnerstagvormittag ebenfalls kurzzeitig online der oberste Artikel war,  macht sich Korrespondent Oliver Das Gupta ähnliche Gedanken: „Auf dem Spiel steht für den österreichischen Regierungschef und seine Leute nicht nur die Macht, es droht im schlimmsten Fall sogar Gefängnis. (...) Nun, nach den Razzien im Kanzler-Team und den neu bekannt gewordenen Chats, fällt auch ein neues Licht auf die immer schriller werdenden Angriffe von Kurz und seinem Team auf die Justiz. (...) Es geht um Korruption, die den Aufstieg eines der bekanntesten Staatenlenker Europas mit ermöglicht haben soll."

>> Der Artikel im „Spiegel"

In der „Süddeutschen Zeitung“ schreibt Cathrin Kahlweit: „Der Vorwurf klingt kompliziert, ist aber im Kern letztlich simpel: Die Korruptionsermittler vermuten, dass der Kreis um Kurz mit Steuergeld für gute Berichterstattung bezahlt und die Inhalte auch noch selbst in Auftrag gegeben hat. Mit öffentlichen Inseraten quasi gekaufte Medien - das hat in Österreich schon lange System; aber weil alle Regierungen bisher davon profitierten, wurde es nie reformiert. Kanzler Kurz hat so viel Geld über wohlmeinende Medien ausgeschüttet wie vor ihm keiner; er kauft sich seine Popularität damit wohl auch zum Teil. Nun deutet sich an, dass er mit dieser Methode womöglich sogar ins Kanzleramt gekommen sein könnte.“ Es sei gut möglich, dass es Neuwahlen gibt.

>> Der Artikel in der „Süddeutschen Zeitung"

In der „Bild"-Zeitung, zu der Kurz besonders intensive Kontakte pflegt, ist erst seit Donnerstagvormittag ein Nachrichtenartikel mit dem Titel: „Schwere Vorwürfe gegen Ösi-Kanzler Kurz“ im Politik-Teil zu finden.

In den internationalen Medien wird das Thema vor allem über die Meldungen der englischsprachigen Nachrichtenagenturen Reuters und AFP aufgegriffen - etwa im britischen „Guardian“ oder der spanischen Zeitung „El Pais“. Bei BBC oder CNN waren die neuen Vorwürfe gegen Bundeskanzler Kurz bisher kein Thema.

Weitere Pressestimmen

"Politico" (Brüssel):

"Die Razzien und Anschuldigungen kommen zu einer bestehenden Zahl an Skandalen, die Kurz und seine engsten Verbündeten als übertrieben und sie gar nicht betreffend von sich gewiesen haben - darunter Ermittlungen wegen Bestechlichkeit in der ÖVP und die berüchtigte Ibiza-Affäre."

"Le Figaro" (Paris):

"Sebastian Kurz ist bereits Gegenstand von Ermittlungen wegen mutmaßlicher Falschaussage vor einem Parlamentsausschuss zu Korruption, bis dato ist er aber nicht angeklagt. (...) Diese neue Affäre könnte die Koalition der Konservativen mit den Grünen schwer beeinträchtigen, während sich die Scherereien der an der Macht befindlichen Rechten (ÖVP, Anm.) mit der Justiz vervielfältigen."

"L'Express" (Paris):

"Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat neuen Ärger mit der Justiz. Auf Skandale in Österreich abonniert, steht er nun im Visier von Korruptionsermittlungen. Laut der Staatsanwaltschaft wurden lobhudelnde Artikel und ihm günstige Meinungsumfragen im Gegenzug für Inseraten-Aufträge des schon damals ÖVP-geführten Finanzministeriums veröffentlicht."

"Handelsblatt" (Düsseldorf):

"Gerüchte, dass sich über Österreichs Regierungspartei ÖVP und Bundeskanzler Sebastian Kurz ein neuerliches Gewitter zusammenbraut, gab es seit September. Am Mittwochmorgen war es so weit: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) durchsuchte die Wiener Parteizentrale der ÖVP und das Kanzleramt. Die Geschichte ist verworren, wirft aber ein Schlaglicht auf Österreichs politische Kultur und das 'System Kurz'. (...) Die Nachricht hat das ohnehin schwer angeschlagene politische System Österreichs erneut erschüttert."

"Die Welt" (Berlin):

"Der zunehmend eskalierende Konflikt zwischen dem österreichischen Kanzler und der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft (WKStA) ist mit den Razzien vom Mittwoch jedenfalls kein Kleinkrieg mehr. Vor allem aber wurde mit diesen Hausdurchsuchungen ein ganz neues Kapitel in den Korruptionsermittlungen gegen Kurz und sein Umfeld aufgeschlagen: Der Vorwurf lautet diesmal Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue."

"La Stampa" (Turin):

"Österreich ist mit einer Art von 'House of Cards' aus dem Jahr 2016 konfrontiert, als Kurz noch ein junger Außenminister mit vielen Hoffnungen war, der die ÖVP verjüngen wollte. Die ÖVP attackiert die Justiz und versetzt damit die Grünen Koalitionspartner in Verlegenheit. Kurz leistet Widerstand, doch in Wien könnte sich eine politische Krise anbahnen, die zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren eine Regierung Kurz erschüttern würde."

"La Repubblica" (Rom):

"Die Ermittlungen um Ibiza-Gate erreichen jetzt auch Bundeskanzler Kurz. Die beschlagnahmten Smartphones sind zu einer Goldgrube geworden. Sie haben zur Enthüllung eines Systems aus Gefälligkeiten, Komplotten und Vergeltungsaktionen rund um den jüngsten europäischen Premier beigetragen, wie es nicht einmal in Musils Kakanien hätte vorkommen können."

"Il Manifesto" (Rom):

"Politisches Erbeben in Österreich: Die Schlinge um Kurz, gegen den schon seit Monaten ermittelt wird, wird immer enger. Er ist jetzt nicht nur mit dem Verdacht der Falschaussage in Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre konfrontiert. Er wird jetzt auch der Korruption in großem Stil beschuldigt, wie tausende Chats und die öffentlichen Gelder bezeugen, die zur Finanzierung gefälschter Umfragen dienten."

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Die Ermittlungen gegen Kurz sind ein schwerer Schlag für den Kanzler, gegen den bereits eine Untersuchung wegen Falschaussage in der sogenannten Ibiza-Affäre läuft. Österreichs Politik ist in Aufruhr, die ÖVP weist die Vorwürfe zurück. Der verheerende Pakt mit dem Verleger Fellner soll den politischen Aufstieg Kurz' gefördert haben."

"Il Messaggero" (Rom):

"Der neue Skandal sorgt für weitere Turbulenzen in den ohnehin bereits gespannten Beziehungen in der Koalition aus ÖVP und Grünen, die nach dem Sturz der ersten Regierung Kurz entstanden war. Der Schlag für das politische Phänomen Kurz, Star der europäischen Konservativen, ist hart und trifft den Kanzler während seines Slowenien-Besuchs."

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