Konjunktur

Herbstprognose: Wirtschaft wächst heuer um 4,4 bis 4,5 Prozent

Die Presse/Clemens Fabry
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Wifo und IHS heben ihre Prognosen für heuer deutlich an. Für nächstes Jahr senkt das Wifo seinen Ausblick leicht. Der schleppende Impffortschritt bremst den Aufschwung.

Wirtschaftskrisen haben einen Vorteil: Normalerweise gibt es danach richtig gute Nachrichten zu verkünden. Nämlich dann, wenn der Aufschwung folgt. Schon im Juni erklärten die wichtigsten Wirtschaftsforschungsinstitute des Landes die Krise für beendet. Nun legten sie noch einmal nach und korrigieren ihre Wachstumsprognose nach oben. Zumindest für heuer: Da soll die österreichische Wirtschaft laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) um 4,4 Prozent zulegen, statt um vier Prozent, wie im Juni erwartet. Das Institut für Höhere Studien (IHS) erwartet nun sogar 4,5 Prozent, statt 3,4 Prozent in der Juni-Prognose.

Zwischen Branchen und Sektoren zeigen sich deutliche Unterschiede: In der Industrie sei die Krise schon Ende des Vorjahres überwunden gewesen, der aktuelle Boom führt zu Materialengpässen und Preissteigerungen. Anders in so manchen Dienstleistungsbranchen, die teilweise auch heuer noch unter dem Vorkrisenniveau liegen. So seien viele Kinosäle und Hotels noch fast leer, und die vierte Covid-19-Welle verschärfe diese Unterschiede noch zusätzlich.

Womit wir bei den weniger guten Nachrichten angekommen sind. Die Hoffnung, die Pandemie würde uns diesen Herbst höchstens noch peripher berühren, hat sich nämlich nicht erfüllt. Wegen des schleppenden Impffortschritts überschattet die Pandemie auch im kommenden Winterhalbjahr die Konjunktur. „Vierte Covid-19-Welle bremst kräftigen Aufschwung“, titelt das Wifo. „Aufschwung mit Hindernissen“, das IHS.

Für 2022 hat das Wifo daher seine Wachstumsaussichten etwas gesenkt: Von fünf Prozent im Frühling auf 4,8 Prozent. Das IHS belässt seine Prognose bei 4,5 Prozent.

Was ist in den kommenden Monaten noch zu erwarten? Ein Überblick.

Gesamtwirtschaftliche Lage

In der Wirtschaft geht ein Gespenst um: die Angst vor erneuten Einschränkungen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie. Das trübt vor allem die Stimmung in den Dienstleistungsbranchen wie Beherbergung und Gastronomie, zeigt der Wifo-Konjunkturtest. Anders in der produzierenden Industrie und im Bauwesen, wo die Einschätzungen trotz der anhaltenden Lieferengpässe optimistisch ausfallen.

Darauf weist auch das IHS hin: Gegenwärtig wirken Lieferengpässe und damit verbunden deutliche Preissteigerungen „sowie die weiterhin bestehende Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie“ bremsend.

Einen kräftigen Aufschwung meldet die Industrie – auch der Materialmangel kann dem nicht allzu viel anhaben. Auf dem Bau schlagen laut Angaben der Unternehmen der Arbeitskräftemangel zu Buche sowie die Knappheit bei Materialien. Was die Wifo-Ökonomen als „Zeichen für die äußerst kräftige Nachfrage“ deuten.

Einen Boom gibt es auch bei den Investitionen: Die staatliche Investitionsprämie habe Vorzieheffekte ausgelöst, aber auch für zusätzliche Investitionen gesorgt.

China bleibe mit Wachstumsraten von acht (heuer) und 5,3 (2022) Prozent der weltweite Wachstumsmotor, so das IHS – schränkt aber ein: Ein starker Konjunktureinbruch in China, etwa infolge der Probleme im Immobiliensektor (wie berichtet steht der Mega-Immobilienkonzern Evergrande auf der Kippe), könnte die Weltwirtschaft belasten.

Der private Konsum verschiebt sich

Der Konsum dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte noch verstärken und „zu einem Treiber des Wachstums“ werden, erwartet das IHS und rechnet für heuer mit einem Zuwachs von vier Prozent, nächstes Jahr noch einmal fünf Prozent. Die Sparquote dürfte nach einem starken Anstieg voriges Jahr – auf 14,4 Prozent – heuer auf 11,6 Prozent und nächstes Jahr auf 8,6 Prozent sinken.

Einerseits werde der Konsum vieler Dienstleistungen nicht nachgeholt, schreibt das Wifo – Restaurant- und Kaffeehausbesuche lassen sich nur bedingt nachträglich kompensieren –, zum anderen waren heuer noch über weite Strecken pandemiebedingte Lockdown-Einschränkungen in Kraft.

Deutlich besser erholt sich der Konsum „dauerhafter Güter“ – das sind etwa Fahrzeuge und größere Haushaltsgeräte wie Kühlschränke, Waschmaschinen und Fernseher sowie Möbel und Schmuck. In der Pandemie kam es zu Verschiebungen von Dienstleistungen in Richtung dauerhafter Konsumgüter. Das Geld, das die Menschen nicht in Bars, Restaurants, Kinos und Kaffeehäusern ausgeben konnten, floss zumindest teilweise in größere Anschaffungen.

Die Inflation legt zu

Dass die Preise steigen, lässt sich aktuell leicht an der Tankstelle, beim Bäcker und im Kaffeehaus erspüren. Für den Preisauftrieb sind laut Wifo vor allem Impulse der Weltwirtschaft verantwortlich. Seit Juni 2020 werde die Inflation in Österreich durch die Erholung der Weltkonjunktur angefacht, seit Februar 2021 zusätzlich durch „angebotsseitige Verwerfungen“ – sprich, ein Mangel an Materialien und Waren, der die Preise treibt. Die Inflation werde sich in den kommenden Monaten noch beschleunigen, erwarten die Ökonomen.

Das IHS sieht als Gründe für die Teuerung (3,2 Prozent im August) die stark gestiegenen Energiepreise sowie die Preise für Flüge, Gastronomiedienstleistungen und Wohnungsinstandhaltung. „Der starke Anstieg der Rohstoffpreise deutet darauf hin, dass der Preisdruck auch in den kommenden Monaten hoch bleiben dürfte.“ 

2022 werde sich bei den Preisen zusätzlich die auslaufende Reduktion der Mehrwertsteuersätze in den Bereichen Beherbergung, Gastronomie und Kultur niederschlagen. Diese war seit Juni 2020 in Kraft. Wobei die Verbraucher in dem Punkt doppelt getroffen werden: „Während die Senkung der Steuersätze auf fünf Prozent keine nennenswerten Preiseffekte hatte, dürfte die Anhebung teilweise an die Endverbraucher weitergegeben werden“, heißt es in der Wifo-Prognose.

Das Wifo rechnet für heuer mit einer Inflation von 2,8 Prozent und für nächstes Jahr mit drei Prozent. Das IHS geht für heuer von 2,6 Prozent Teuerung aus, für nächstes Jahr nur noch von 2,3 Prozent.

Die Löhne stagnieren

Wegen des starken Preisauftriebs erwartet das Wifo in der laufenden Herbstlohnrunde hohe Lohnabschlüsse, allerdings nicht in allen Branchen. Kräftige Lohnzuwächse erwarten die Ökonomen in der Sachgütererzeugung, wo der Facharbeitermangel die Verhandlungsposition der Gewerkschaft stärke. Anders im Dienstleistungsbereich: Dort gebe es ebenfalls Rekrutierungsschwierigkeiten, die Ertragslage habe aber unter der Pandemie gelitten, vor allem im Tourismus.

Unter dem Strich rechnet das Wifo für heuer mit einer Stagnation der Reallöhne.  

Der Arbeitsmarkt erholt sich „beispiellos“ schnell

Auf dem österreichischen Arbeitsmarkt findet aktuell eine „beispiellose“ Erholung statt, schreiben die Ökonomen. Im Winter werde die Arbeitslosigkeit als Folge der vierten Corona-Welle zwar wieder leicht zulegen, im Gesamtjahr aber zurückgehen. Die Zahl der unselbstständig Beschäftigten übertreffe bereits heuer das Vorkrisenniveau. Hier zeigt sich eine bekannte Entwicklung: Der Beschäftigungsanstieg entfällt großteils auf ausländische Arbeitskräfte. Gleichzeitig steigt die Zahl der inländischen Arbeitskräfte heuer und nächstes Jahr nicht mehr auf das Vorkrisenniveau. Ein Grund ist der alterungsbedingte Rückgang der Erwerbsbevölkerung.

Von Dezember 2020 auf August 2021 stieg die Zahl der offenen Stellen von 50.600 auf 113.800 – ein Höchstwert. Die derzeitige Erholung auf dem Arbeitsmarkt gehe „viel rascher vonstatten als nach früheren Krisen“, heißt es in der Konjunkturprognose des Wifo.

Das IHS erwartet, dass die Arbeitslosenquote heuer auf 8,1 Prozent sinkt (von 9,9 Prozent 2020) und nächstes Jahr auf 7,2 Prozent. Das Wifo rechnet mit 8,2 Prozent heuer und 7,4 Prozent nächstes Jahr. 

Risken bleiben – positive und negative

Keine Prognose ohne Risken: Die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie sei weiterhin hoch, ein neuerliches Aufflammen könne nicht ausgeschlossen werden, Stichwort Mutationen. Wenngleich die wirtschaftlichen Schäden aufgrund der Vollimmunisierung weiter Teile der Bevölkerung geringer ausfallen dürften als in früheren Infektionswellen.

Aber es gibt auch sogenannte Aufwärtsrisken: Falls durch diverse Maßnahmen wie die FFP2-Masken-Pflicht oder mehr PCR-Tests ein Anstieg der Infektionen hintangehalten werden könne, „würde sich die Wertschöpfung in der Gastronomie und Hotellerie günstiger entwickeln als prognostiziert“, schreiben die Wifo-Experten.

Neben der Möglichkeit neuerlicher Angebotsschocks auf den weltweiten Rohstoffmärkten herrsche in Österreich weiter Unsicherheit darüber, wie es um die Zahlungsfähigkeit von krisengebeutelten Unternehmen bestellt ist und wie es weitergeht, wenn staatliche Corona-Hilfsprogramme zurückgefahren werden.

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