Gastkommentar

Die stille Revolution in der Politik

Die Ära der Volksparteien geht zu Ende, das zeigt auch das deutsche Wahlergebnis. Ein neuer Politikertyp ist gefragt.

In Deutschland endet nicht nur die Ära Merkel, sondern auch die Ära der Volksparteien. Das Wahlergebnis zeigt, dass CDU/CSU und SPD die Integration von verschiedenen Milieus, Lebensstilen und Altersgruppen immer weniger gelingt. Drei Trends entscheiden künftig über den politischen Erfolg:

• Neue Lebensstile ersetzen alte Lager: Traditionelle Politik bezieht ihre Dynamik aus dem Streit der Lager. Linke und rechte Konzepte treten gegeneinander an: Markt gegen Staat. Ökologie gegen Ökonomie. Traditionell gegen modern. Die neuen Konflikte bilden sich immer weniger entlang von Lagern, sondern entlang von Lebensstilen. Diese verlaufen nicht quer durch die politischen Milieus. Ein Facharbeiter wählt nicht mehr ein Leben lang rot, ein Familienunternehmer nicht ewig konservativ.

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• Der Drang zur neuen Mitte: Den traditionellen Milieus entwachsen sind in den heutigen Wohlstandsgesellschaften neue Mittelschichten, die längst eine strukturelle Mehrheit bilden. Diese sind kulturell liberal, mental grün, ökonomisch marktorientiert, sozialdemokratisch im Sinne des fairen Ausgleichs. Die Klasseninteressen dieser Milieus konzentrieren sich nicht mehr auf ein Thema, sondern wechseln stark entlang der eigenen Position in der Gesellschaft. So fühlen viele in der Mitte ökologisch und lehnen dennoch einen (hohen) CO2-Preis ab. Die politische Gesellschaft wird dadurch unberechenbarer.

• Das Bedürfnis nach guter Regierungsführung: Corona hat die Notwendigkeit effektiven staatlichen Handelns aufgezeigt. Krisen wie diese lassen sich weder mit überbürokratisierten, schwach geführten Institutionen noch mit einer Rhetorik ideologischer Freiheit und Eigenverantwortung bewältigen. Gutes Regieren braucht eine effektive Exekutive, eine vermittelnde Judikative und eine vorausschauende und ausgleichende Legislative. Die Bürger empfinden sich als Co-Produzenten öffentlichen Gemeinwohls, weniger als politische Konsumenten. Während das Bedürfnis nach Beteiligung wächst, steigen die Wut und der Hass einer aggressiven Minderheit.

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