Arbeitskräfteüberlassung

Psychohilfe für Zeitarbeiter

(c) Clemens Niederhammer
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Die Coronakrise hinterließ auch in dieser Branche Spuren. Ganz besonders an den Mitarbeitenden.

Die Arbeitskräfteüberlassung (AKÜ, auch Zeit- oder Leiharbeit genannt) ist ein spannendes Geschäftsfeld. Wie wichtig es für den Arbeitsmarkt ist, zeigt sich schon darin, dass die „Überlasser“ die bei Weitem größten Kunden des AMS sind.

Die Grundidee ist einfach: In einem Dreiecksverhältnis stehen einander arbeitswillige Menschen, Unternehmen mit befristetem Personalbedarf und Überlasser gegenüber. Die Zeitarbeiter kamen ursprünglich aus dem Blue-Collar-Bereich und waren froh, nicht selbst auf Jobsuche gehen zu müssen. Die Unternehmen konnten mit ihnen Auftragsspitzen taggenau und frei von Arbeitgeberpflichten abdecken. Die Überlasser stellten die Zeitarbeiter an und verdienten an einer Spanne.

In den Nullerjahren eroberte die AKÜ auch den White-Collar-Bereich. Erst administrative Berufe, dann Spezialisten-, schließlich Managementpositionen. Das Geschäft boomte. Ein eigener Branchen-Kollektivvertrag und ein Weiterbildungsfonds für Zeitarbeiter trugen wesentlich zur Professionalisierung bei. Die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 bescherte dem Boom ein jähes Ende. Und, kaum davon erholt, die Coronapandemie. Einmal mehr erweist sich die AKÜ als Wirtschaftsbarometer. Geht es nach unten, merkt es diese Branche zuerst – aber auch, wenn es wieder nach oben geht.

Alle Aufträge storniert

Ende 2019, als Corona noch weit weg war, ging der frühere Metro- Manager Arno Wohlfahrter beim Marktführer Trenkwalder als CEO an Bord. Marktführer ist relativ: Obwohl unumstritten Erster, hält Trenkwalder nur knapp sieben Prozent Marktanteil. Den Rest teilen sich 730 Mitbewerber. „2020 hat zuerst die Automotive-Industrie korrigiert“, sagt Wohlfahrter.
„Korrigiert“ ist das schönere Wort für „alle Aufträge storniert“. Hatte die Branche im September 2019 noch 100.000 Mitarbeitende beim Kunden, stürzte diese Zahl im März 2020 auf 60.000 ab. Aber, und das ist die gute Nachricht: Genauso schnell erholt sich der Markt jetzt wieder.

Branchenberichten zufolge ist das Vorkrisenniveau schon wieder erreicht.
Neben dem Wiederaufbau registrierte Wohlfahrter, was die Pandemie bei seinen Zeitarbeitern und -angestellten bewirkte. „Das Stressniveau ist stark gestiegen.“ Unsicherheit, Krankheitsängste, Doppelbelastung, Sorgen mit der Familie: „Das summiert sich zu mentalen Problemen.“ Die wieder auf die Arbeit zurückstrahlen.

Das will er nun bekämpfen, indem er seinen derzeit 5000 Überlassenen dieselbe psychologische Beratung angedeihen lässt, die seine 180 internen Mitarbeitenden schön länger testen.

Mentale Gesundheit stärken

Fraglos eine Differenzierung gegenüber dem Mitbewerb, aber auch eine organisatorische Großleistung. Wohlfahrter schloss dafür eine Kooperation mit dem EAP-Institut von Cornelia Martens. In- und externe Mitarbeitende, aber auch deren Familienmitglieder können sich bei Bedarf telefonisch, per Video und auf Wunsch auch persönlich beraten lassen – österreichweit, ein- oder mehrmals, anonym, kostenfrei und in neun Sprachen. Er als Arbeitgeber, versichert Wohlfahrter, erfahre nur anonymisiert, was die Themen waren. Zwei Drittel seien privater Natur, ein Drittel beruflich.

Bleibt zu hoffen, dass das Beispiel Schule macht. In den USA sind Employee Assistance Systems, so die formale Bezeichnung der Leistung, längst Standard.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 9. Oktober 2021)

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