Was Schuhe kaufen mit Heranwachsenden mit grünen Tomaten zu tun hat.
Eben noch im Sommerkleid und nun wieder in der Wolle. Die Beine sind braun und gar nicht herbstbereit. Es ist nicht so, dass man eine Seite umschlägt und ein neues Kapitel beginnt; Veränderungen passieren seitwärts, manchmal sogar schiebt sich nur das eine über das andere. Wie ein Filter, mit dem man digitale Bilder bearbeiten kann, sie „dramatisch“ machen kann, oder „kalt“ oder „strahlend“. Wenig überraschend gefällt mir „nostalgisch“ am besten: Mit dem Braunfilter wird das Jetzt gleich viel milder.
Hoffnungsfroh hat man die grünen Tomaten in die Sonne gestellt, die durch das Küchenfenster fällt. Es klappt, sie färben sich rot, bei manchen geht es schnell, bei anderen dauert es länger, als es ihnen guttut. Dann sind sie dunkelrot verfault. Einige sind dafür nur teilweise gereift. Es erinnert an den Schuhkauf mit Heranwachsenden. Die Füße gehören bereits in die Herrenabteilung, während der Kopf noch lang nicht dort ist.
Wie man Kastanien mit einem behutsamen, aber entschiedenen Tritt aus ihrem stacheligen Gehäuse befreit, verlernt man nie. Sich über die ersten Kastanien in der Hand zu freuen gehört zum Oktober, so wie sie später verschrumpelt der Natur zurückzugeben.
An unliebsame Veränderungen erinnert hingegen die Ankündigung des ORF, die Show „Neun Plätze, neun Schätze“ wieder abzuhalten. Der Schönheit geheimer Plätze tut der plötzliche Ruhm gar nicht gut. Das sehen vielleicht Bürgermeister, Touristenverbände und Sendungsverantwortliche nicht so. „Es kommen nach wie vor nur wegen dieser Sendung scharenweise Busse zur Strutz-Mühle“, freut sich Gerhard Koch, ORF-Landesdirektor der Steiermark, laut Aussendung über die Auswirkungen des steirischen Sieges 2020. Wer aber sieht, wie bisher wenig bekannte Weiher und Moore von Touristen dank der Sendung niedergetrampelt und vermüllt werden, kann sich darüber nicht freuen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2021)