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Eine Chronologie der türkis-grünen Krisen(woche)

Werner Kogler und Sebastian Kurz
Werner Kogler und Sebastian KurzAPA/ROBERT JAEGER
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Es begann mit dem Ibiza-Video und der Auswertung von Chatnachrichten. Es folgten Hausdurchsuchungen, Vorwürfe und zahlreiche Krisengespräche. Ein Überblick.

Die aktuelle Regierungskrise hat ihren Ursprung in den Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen der Bestellung des Freiheitlichen Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG. Diese Ermittlungen führten im August 2019, wenige Monate nach Bekanntwerden des „Ibiza-Videos“ und des damit verbundenem Scheiterns der türkis-blauen Bundesregierung zu Hausdurchsuchungen bei Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus und wenig später auch zu einer Razzia beim (mittlerweile zurückgetretenen) Öbag-Chef Thomas Schmid.

Schmid hat zwar sein Handy vor der Beschlagnahmung durch die Ermittler zurückgesetzt sowie WhatsApp und andere Nachrichten gelöscht, aber die Ermittler haben viele Chatnachrichten wieder herstellen können. Die Auswertung dieser Daten brachte u.a. ans Licht, dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) seinem Vertrauten, dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, empfohlen haben, der Kirche „Vollgas" zu geben.  Auch die nun bekannt gewordene mutmaßliche Inseratenkorruption ist in Schmids Nachrichten dokumentiert. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat daraufhin Ermittlungen aufgenommen. Eine Chronologie der jüngsten Ereignisse:

23. September 2021: Die WKStA beantragt beim Richter Hausdurchsuchungen u.a. im Bundeskanzleramt, im Finanzministerium, in der ÖVP-Zentrale und der Mediengruppe "Österreich".

28. September 2021: ÖVP-Vize-Generalsekretärin Gabriela Schwarz gibt eine „Stellungnahme zu Medienanfragen zu angeblich weiteren Ermittlungsschritten gegen die ÖVP" ab. „Hausdurchsuchungen sind meiner Meinung nach völlig sinnlos und noch einmal, es ist auch nichts zu finden", sagt sie bei diesem Auftritt.

29. September 2021: Der zuständige Richter genehmigt die Anordnung für die Hausdurchsuchungen.

4. Oktober 2021: Die Genehmigung geht zurück an die Staatsanwaltschaft.

5. Oktober 2021: Die Razzien der WKStA starten im Umfeld der Assistentin von Ex-Öbag-Chef Schmid. Der türkise Ex-U-Ausschuss-Fraktionschef Andreas Hanger gibt eine Pressekonferenz und macht dort „linke Zellen" in der Korruptionsstaatsanwaltschaft aus und befürchtete Hausdurchsuchungen in der ÖVP.

6. Oktober 2021: Im Bundeskanzleramt und Büros im Finanzministerium werden Razzien durchgeführt. Betroffen sind u.a. der Sprecher des Kanzlers, sein, Medienbeauftragter und Berater. ÖVP-Klubchef August Wöginger zeigt sich am Rande des Ministerrats darüber empört. Er spricht von einer „Unzahl an falschen Behauptungen". Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer erklärt knapp: „Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz. Wir werden sehen, wie es weitergeht.“ Die Opposition fordert den Rücktritt von Kurz und beantragt geschlossen eine Sondersitzung des Parlaments. Kurz nimmt in der „ZiB2" zu den Vorwürfen Stellung und weist sie vehement zurück.

7. Oktober 2021:Die Grünen stellen die Handlungsfähigkeit des Kanzlers infrage. Parteichef Werner Kogler lädt alle Klubobleute zu Gesprächen ein. Die Bundes-ÖVP schickt eine Aussendung aus, wonach sich alle Teilorganisationen hinter Kurz stellen. Die Tiroler-ÖVP schickt eine Aussendung  aus, wonach sich auch alle Landeshauptleute hinter Kurz stellen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfängt unterdessen nacheinander Kogler, Kurz  und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Kurz sagt danach: „Wir stehen bereit, die Arbeit fortzusetzen.“ Die Präsidiale des Nationalrats einigt sich darauf, die Sondersitzung am Dienstag, 12. Oktober, abzuhalten. Die Opposition wird dort einen Misstrauensantrag gegen Kurz einbringen.

8. Oktober 2021: Kogler beginnt Gespräche mit den Klubobleuten der Parlamentsparteien. Maurer legt vor dem Gespräch mit Rendi-Wagner nach und fordert die ÖVP auf, Kurz durch "eine untadelige Person" auszutauschen. Van der Bellen empfängt unterdessen die Parteichefs Herbert Kickl (FPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos).

(APA)

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