Gastkommentar

Ministeranklage statt Misstrauensvotum

Die Macht des Nationalrats ist groß. Er könnte auch nur Sebastian Kurz das Misstrauen aussprechen.
Die Macht des Nationalrats ist groß. Er könnte auch nur Sebastian Kurz das Misstrauen aussprechen. APA/GEORG HOCHMUTH
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ÖVP, Opposition und Grüne sollten zuerst die Vorwürfe klären.

Nach Art 74 B-VG steht es dem Nationalrat jederzeit frei, der Bundesregierung oder einzelnen ihrer Mitglieder (also auch „bloß“ dem Bundeskanzler) das Misstrauen auszusprechen. Er benötigt keinen Grund. Dass er die Regierung nicht mehr dulden möchte, genügt. Eine Auflösung des Nationalrates und eine Neuwahl sind damit nicht (zwingend) verbunden. Das Parlament ist weiter handlungsfähig, auch wenn es die Regierung oder eines ihrer Mitglieder abgesetzt hat.

Versagt der Nationalrat der Bundesregierung oder einzelnen ihrer Mitglieder (etwa dem Bundeskanzler) aber wegen eines in der Öffentlichkeit bekannten strafrechtlichen Vorwurfs das Vertrauen, dann muss er dabei Folgendes bedenken: Erstens gilt die Unschuldsvermutung auch für Mitglieder der Bundesregierung, und sie gilt auch bei Auftreten neuer Vorwürfe, und sie hat auch dann gute menschenrechtliche Gründe für sich. Durch falsche Anschuldigungen und mediale Vorverurteilungen sind schon manche Karrieren, wenn nicht gar Leben, zerstört worden, und es ist nur richtig, dass strafrechtliche Anklagen vor einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetzen beruhenden Gericht zu klären sind (Art 6 EMRK). Eine Beschuldigung ist noch keine Anklage und eine Anklage keine Verurteilung. Das gilt genauso für alle ohne Ansehen der Person wie die Strafverfolgung.

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