Rücktritt

Sebastian Kurz tritt zurück, Alexander Schallenberg wird Bundeskanzler

 Sebastian Kurz zieht die Konsequenzen aus den Ermittlungen gegen seine Person und geht als Kanzler.
Sebastian Kurz zieht die Konsequenzen aus den Ermittlungen gegen seine Person und geht als Kanzler.(c) Reuters
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„Ich möchte Platz machen": Sebastian Kurz zieht die Konsequenzen aus den Ermittlungen gegen seine Person und geht als Kanzler. Er bleibt aber ÖVP-Chef und wird Klubobmann im Parlament. Und hält einmal mehr fest: „Die Vorwürfe gegen mich sind falsch.“ Mit Video.

Es war das zweite Mal binnen 24 Stunden, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kurzfristig zu einer Pressekonferenz um 19.30 Uhr geladen hatte, um sich zu der türkis-grünen Regierungskrise zu äußern. Während er gestern, Freitag, noch betont hat, sich und die ÖVP trotz der publik gewordenen Chatnachrichten als „handlungsfähig und handlungswillig“ zu sehen, klang das am Samstag anders: Er zieht die Konsequenzen aus den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen seine Person - und tritt zur Seite. Sein Amt soll vorübergehend an Außenminister Alexander Schallenberg übergehen. Kurz selbst bleibt Parteichef und wird Klubobmann im Parlament.

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„Seit dem Tag, an dem ich begonnen habe, mich politisch zu engagieren, habe ich immer versucht, meinen Beitrag für Österreich zu leisten“, begann Kurz seine Rede. Er habe als Staatssekretär, Außenminister und Kanzler versucht, dem Land zu dienen. Insbesondere die vergangenen zwei Jahre seien dabei sehr herausfordernd gewesen - Stichworte: Pandemie, Arbeitslosigkeit. Nun seien strafrechtliche Vorwürfe gegen seine Person laut geworden: „Diese Vorwürfe sind falsch.“

„Auch ich bin ein Mensch und mache Fehler“ 

Er wäre froh, „wenn die Unschuldsvermutung in unserem Land wirklich für alle Menschen gelten würde.“  Ja, er habe im Jahr 2016 nicht optimale Chatnachrichten verfasst. Das sei „in der Hitze des Gefechts“ geschehen und er würde es heute nicht mehr so wiederholen. Aber: „Auch ich bin ein Mensch mit Emotionen und mache Fehler.“ 

Sebastian Kurz' Statement zu seinem Rücktritt als Bundeskanzler

Tatsache aber sei, dass sich der Koalitionspartner gegen ihn gestellt habe. Damit stehe man vor einer Patt-Situation - und das in einer senisblen Phase, die Pandemie sei noch nicht vorüber und das Budget nicht beschlossen. „Es wäre unverantwortlich, in Monate des Chaos zu schlittern“. Das Regierungsteam der ÖVP habe ihm zugesichert, sollte er abtreten, auch gehen zu wollen. Er sei für die Loyalität dankbar, betonte Kurz. Aber: „Mein Land ist mir wichtiger als meine Person. Ich möchte daher, um die Patt-Situation aufzulösen, Platz machen.“

Ihm falle dieser Entschluss nicht leicht, räumte Kurz ein, er wolle aber Monate des Stillstandes verhindern. Ebenso eine Vierparteienkoalition „von Kickls Gnaden“. Daher setze er diesen Schritt.

Gewachsener Druck

Dass Kurz im beinahe letzten Moment - am kommenden Dienstag hätte ihn im Nationalrat ein Misstrauensantrag von SPÖ und FPÖ und damit die mögliche Abwahl erwartet - doch noch einen Schritt zur Seite macht, kam nicht ganz überraschend. Die türkisen Regierungsmitglieder hatten sich zu mehreren Sitzungen zusammengefunden. Auch Gespräche auf Landesebene hatten im Laufe des Samstags stattgefunden.

Und auch der Druck von außen hatte zugenommen: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und FPÖ-Chef Herbert Kickl waren zu einem Gespräch zusammengekommen und hatten eine Zusammenarbeit im Parlament nicht ausgeschlossen. Denn: „Der türkise Machtzirkel leidet an Realitätsverweigerung, wenn er glaubt, einfach weitermachen zu können wie bisher", sagte der rote Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch.

Bereits am Freitagabend hatte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) dem Koalitionspartner ausgerichtet, man müsse Kurz gegen eine „untadelige“ Person austauschen, denn Kurz sei aufgrund der erhobenen Vorwürfe „amtsunfähig“ geworden.

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