Ein Tüftler am Klavier

Universal Music Group.
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Der Pianist Krystian Zimerman hat vieles schon erreicht. Nur eines nicht: die höchste Zufriedenheit mit sich selbst. Auch wenn er manchmal schon knapp dran war.

„Unvergleichlich und geistvoll“, hieß es in einer Rezension der Aufführung sämtlicher Beethoven-Klavierkonzerte durch Krystian Zimerman und das London Symphony Orchestra unter Simon Rattle anlässlich des Komponisten-Jubiläumsjahres in London. Die CD- und LP-Edition der Aufnahmen dieser Konzerte ist mittlerweile erschienen und markiert im reichen Katalog dieses Pianisten doch eine bemerkenswerte Station. Die Beethoven-Konzerte stellen ja doch eine der herausragenden Aufgaben für einen Klassikinterpreten dar; hier lässt sich nicht mit blanker Virtuosität protzen. Das Publikum hat nach wie vor ein feines Gespür für die Zwischentöne, die Nuancen, die das Stilbewusstsein eines Pianisten ausmachen. Und da hat Krystian Zimerman über die Jahrzehnte seiner Karriere doch immer überzeugen können.
Zwar bekennt er selbst immer wieder, es sei jede seiner Aufführungen anders als alle vorangegangenen. Und wirklich zufrieden sei er nie. Aber hie und da kommen die Ansprüche, die er an sich selbst stellt, und die, mit denen er auch seine Musizierpartner konfrontiert, über weite Strecken zur Deckung. Achtzig Prozent von dem, was er sich erträume, habe, so meinte der Pianist im Gespräch mit Peter Blaha für das Magazin des Linzer Brucknerhauses, Sir Simon Rattle in der Zusammenarbeit bei den Beethoven-Aufnahmen erreicht. Für einen so strengen Zensor interpretatorischer Fragen, der notabene auch mit sich selbst hart ins Gericht geht, ist das allerhand.

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Offenherzig. Außerdem ist die Aussage typisch für Zimerman, der nie ein Hehl aus seinen Meinungen macht und unangenehme Tatsachen und Erkenntnisse nicht umschreibt, sondern beim Namen nennt. Hie und da ist er dann Missverständnissen ausgesetzt. Sein Publikum weiß, dass es bei manchen Auftritten Krystian Zimerman nicht nur als Musiker, sondern auch als Verkünder politischer oder moralischer Standpunkte erleben kann. Oft staunt man nicht schlecht über die Ansprachen, die er vom Podium aus hält – in den USA gab es einige Verwirrung nach einem Statement über die amerikanischen militärischen Interessen in Europa. Die „Los Angeles Times“ berichtete darüber, wobei Zimerman Informationen zu haben meint, der Rezensent sei zum Zeitpunkt seiner Aussagen gar nicht mehr im Saal gewesen. So sei die Legende entstanden, er hätte damals verkündet, nie wieder in den USA auftreten zu wollen. Wie auch immer: „Ein paar Monate später stand mein Haus im Flammen“, erklärt der Künstler im Brucknerhaus-Interview.
Was sind dagegen schon die vielen Anekdoten, die sich im Klassikbetrieb um diesen Pianisten ranken? Intendanten können ein Lied davon singen, wie schwer es ist, Zimerman zu engagieren. Man verkehrt mit ihm via SMS – und hofft, dass er antwortet. Manchmal sagt er dann spontan einen Konzerttermin zu. So oder so ähnlich dürfte es auch im jüngsten Fall gelaufen sein. In Österreich spielt Krystian Zimerman jedenfalls in der laufenden Saison nur am 17. Oktober (um 18 Uhr) im Linzer Brucknerhaus. Was er spielen wird, blieb zumindest bis zur Drucklegung noch geheim. Der Künstler nimmt den Standpunkt ein, sein Publikum möge nicht zur „Mondscheinsonate“ pilgern, sondern zu ihm, er hätte seine Hörer noch nie enttäuscht.

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