Haiti: Nach dem Beben kommt die Cholera

(c) AP (Dieu Nalio Chery)
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Der verarmte Karibikstaat kommt nicht zur Ruhe: Mindestens 140 Menschen sind an der Infektionskrankheit gestorben. Die großen Flüchtlingslager in dem krisengebeutelten Staat sind bis jetzt verschont geblieben.

Saint-Marc/Wien. Die Szenen, die sich im Krankenhaus der Kleinstadt Saint-Marc im Nordwesten Haitis abspielten, waren dramatisch: Im Minutentakt wurden am Freitag Menschen eingeliefert. Spitalsangestellte hoben die Erkrankten von den Ladeflächen der eintreffenden Pick-ups. Andere stützten ihre geschwächte Angehörigen, die sich kaum auf den Beinen halten konnten. Die Kranken waren völlig ausgetrocknet und hatten Fieber und Durchfall.

Innerhalb von 48 Stunden sind mehr als 140 Menschen in Haitis nordwestlicher Region Artibonite an Cholera gestorben. Etwa 1500 Fälle wurden registriert. In den schlecht ausgerüsteten Spitälern war man mit diesem Ansturm überfordert: Im St. Nicholas-Krankenhaus in Saint-Marc wurden die Cholera-Erkrankten auf den Parkplatz und in den Innenhof verfrachtet und dort mit Infusionen versorgt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen berichten von überfordertem Spitalspersonal, das die unter starkem Durchfall leidenden Kranken im Hof nicht mehr versorgen konnte.

Verseuchtes Trinkwasser

Haitis Präsident Rene Préval bestätigte am Freitag, dass es sich tatsächlich um Cholera handle und schaltete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein, um bei der Eindämmung der Infektionskrankheit behilflich zu sein.

Bei Cholera droht die Austrocknung des Körpers und innerhalb weniger Stunden der Tod. Bei rascher Behandlung mit Infusionen und Antibiotika kann man die bakterielle Infektion gut in den Griff bekommen.

Ausgebrochen ist die Cholera-Epidemie im Nordwesten des Landes, der vom Erdbeben nicht zerstört wurde. Dort leben allerdings viele Menschen auf engem Raum, weil nach dem Beben hunderttausende Hauptstädter zu ihren Verwandten aufs Land geflüchtet sind.

Angesteckt haben sie sich mit den Cholera-Bakterien, weil sie mit Fäkalien verseuchtes Wasser aus einem Fluss getrunken haben. Mittlerweile haben Hilfsorganisationen Wasseraufbereitungsanlagen aufgebaut, um das Flusswasser zu reinigen. Sollte die Epidemie die großen Flüchtlingslager rund um die Hauptstadt erreichen, wo noch immer rund 1,3 Millionen Menschen leben, könnte dies verheerende Folgen haben.

Nur 15% der Gelder ausbezahlt

Der verarmte Karibikstaat kommt nicht zur Ruhe: Seit dem Erdbeben im Jänner, bei dem 250.000 Menschen starben, fegten etliche Wirbelstürme mit schweren Unwettern über die Insel. Der Wiederaufbau des Landes geht sehr schleppend voran. In den Notlagern macht sich immer mehr Verzweiflung breit. Gewalttaten und sexuelle Übergriffe nehmen zu.

Der frühere US-Präsident Bill Clinton, Vorsitzender der Kommission zum Wiederaufbau Haitis, machte erst vor Kurzem seinem Frust Luft: Bisher seien nicht einmal 15 Prozent der insgesamt 3,4 Milliarden Euro zugesagter Gelder ausgezahlt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2010)

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