Budgetrede

Blümel sieht Budget 2022 als "Ansage in Richtung Zukunft"

Gernot Blümel hält heute seine zweite Budgetrede.
Gernot Blümel hält heute seine zweite Budgetrede.APA/HANS PUNZ
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VP-Finanzminister Gernot Blümel hielt am Mittwoch im Nationalrat seine zweite Budgetrede. Steuersenkungen sollen BIP-Wachstum und 31.000 Jobs bringen. "Mit diesem Budget stellen wir die Weichen für die Zukunft und aus der Krise heraus", befand auch Kanzler Schallenberg.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat in seiner zweiten Budgetrede eine Rückkehr zu einer "nachhaltigen Budgetpolitik" nach Überwinden der Coronakrise angekündigt. Mit Ende des Finanzrahmens werde sogar ein strukturelle Nulldefizit möglich sein.  Wie üblich machte der Finanzminister nicht allzu viele Worte. Waren Budgetreden früher oft über eine Stunde gegangen und zu regelrechten Regierungshochämtern inszeniert worden, geht es Blümel eher stringent an. Wie im Vorjahr brauchte er nur gut eine halbe Stunde, genauer 34 Minuten, um seine budgetären Botschaften anzubringen.

Dazu gehört, dass aus seiner Sicht im Vorjahr budgetär die richtigen Antworten auf die Pandemie gegeben worden seien, wie die aktuelle Entwicklung zeige. Daher könne man jetzt einen Haushaltsentwurf vorlegen, der Aufschwung, Stabilität und Nachhaltigkeit vereinbare.

Je schneller wir die Corona-Pandemie hinter uns lassen, desto schneller käme der Aufschwung, so Blümel eingangs in seinem Appell an alle, sich impfen zu lassen. Mit der Impfung habe die Menschheit schließlich ein wirksames Gegenmittel, das sei ein Erfolg der Wissenschaft. Doch diese Errungenschaft helfe nicht, wenn nicht alle Menschen dieses Mittel anwenden würden. Blümel erinnerte daran, dass die Regierung mit Corona-Hilfsmaßnahmen - das größte Hilfspaket seit dem Marschall-Plan - zur Erhaltung von 350.000 Arbeitsplätzen beigetragen habe.

Blümel rechnet für das kommende Jahr mit einem gesamtstaatlichen Defizit von 2,3 Prozent der Wirtschaftsleistung und sinkenden Schulden. Im April hatte Blümel noch ein Minus von 4,3 Prozent und Rekordschulden von 89,6 Prozent erwartet. In wirtschaftlichen schwierigen Zeiten Schulden zu machen sei legitim, in Zeiten des Aufschwungs seien neue Schulden Bequemlichkeit zulasten der Steuerzahler, und das sei nicht der Weg der Regierung.

Mit dem Budgetentwurf würden bewusst Schwerpunkte gesetzt, etwa die öko-soziale Steuerreform. Zudem würden Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft eingeleitet, um Österreich im europäischen Wettbewerb abzuheben. Im Gegensatz zu anderen Ländern diskutiere man nicht Ökologie gegen Ökonomie sondern vereine beides. Den Ressorts werde auch Spielraum gegeben, eigene Schwerpunkte zu setzen. Das geht von einer Fortsetzung des Terror-und Katastrophenpakets über Geld für die regionalen Klimatickets bis zum Breitbandausbau. Dies alles ermöglicht laut Blümel eine "Ansage in Richtung Zukunft".

Blümel geht davon aus, dass die Schuldenquote trotz der in mehreren Etappen geplanten Steuerreform von heuer 83,2 Prozent im kommenden Jahr auf 82,8 und dann weiter auf 72,5 Prozent im Jahr 2025 sinkt. Ab 2027 sei sogar ein strukturelles Nulldefizit möglich. „Damit werden wir für kommende Maßnahmen gut gerüstet sein“, sagte Blümel. Die ökosoziale Steuerreform werde beispielgebend sein für viele Länder, davon sei er überzeugt. Als Gründe für die positivere Entwicklung nannte er das deutlich höhere Wirtschaftswachstum mit entsprechend steigenden Steuereinnahmen, die niedrigen Zinsen für die Staatsschulden sowie die gestaffelte Steuerreform, die nicht alle Entlastungen sofort wirksam werden lässt.

Das gesamtstaatliche Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen soll nach einem massiven Anstieg auf 8,3 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt/BIP) im Corona-Jahr 2020 heuer auf 6,0 Prozent sinken und 2022 weiter auf 2,3 Prozent zurückgehen. 2025 soll das Minus bei 0,4 Prozent des BIP zu liegen kommen. In diesem Jahr soll dann auch ein (um Konjunkturschwankungen und Einmaleffekte bereinigtes) "strukturelles Nulldefizit" erreicht werden.

Allein der Bund wird im kommenden Jahr 86,4 Milliarden Euro einnehmen (ein Plus von 14 Milliarden Euro) und 99,1 Milliarden Euro ausgeben. Damit bleibt ein Defizit von 12,6 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Für heuer hatte Blümel im Bundesbudget ursprünglich ein Defizit von 30,7 Milliarden Euro eingeplant. Tatsächlich dürfte aber auch die heurige Bilanz besser als ursprünglich befürchtet ausfallen. Das Bundesdefizit soll laut Finanzministerium heuer in etwa beim Wert von 2020 (22,5 Milliarden Euro) zu liegen kommen.

Ermöglicht wird die bessere Bilanz unter anderem durch das heuer überraschend starke Wirtschaftswachstum: während im April noch ein Wachstum von nur 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet wurde, rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo aktuell mit einem Konjunkturplus von 4,4 Prozent.

Zur Budgetrede hatte sich Mittwochvormittag beinahe die gesamte Bundesregierung im Parlamentsausweichquartier eingefunden. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen lauschte den Worten des Finanzministers.

31.000 neue Jobs

Die von der Regierung angekündigte Steuerreform, die in mehreren Stufen erfolgen wird, soll im Vollausbau ab dem Jahr 2025 jährliche Steuerentlastungen von rund 7,8 Milliarden Euro bringen. Bis 2025 soll die Entlastung kumuliert mehr als 18 Milliarden Euro betragen, sagt Finanzminister Blümel und verweist auf eine Schnellschätzung von Eco Austria. Durch die Reform soll die Wirtschaftsleistung um ein Prozent steigen, 31.000 zusätzliche Jobs sollen entstehen, so der Plan.

Nach dem pandemiebedingten Rückgang der Bruttosteuereinnahmen in Jahr 2020 und der beginnenden Erholung im laufenden Jahr sollen die Steuereinnahmen 2022 trotz der geplanten Entlastungen um gut acht Prozent über dem Vorkrisenniveau 2019 liegen, heißt es im  Budgetbericht.

"Wir lassen nicht alle Entlastungen gleich wirksam werden", sagte Blümel am Dienstagabend vor Journalisten. "Das spätere Inkrafttreten der KöSt-Senkung und der Senkung bei der zweiten Einkommenstufe, all das schafft zusätzlichen Spielraum, der sich auch in der sinkenden Schuldenquote abbildet."

Ein Kernelement der "ökosozialen Steuerreform" ist der CO2-Preis, der ab Juli 2022 mit 30 Euro starten und dann auf 35, 45 und 55 Euro ansteigen soll. Über den "Klimabonus" soll das Geld wieder an die Bevölkerung zurückfließen, wobei in Landgemeinden mehr ausgezahlt wird als in den Städten. Im ersten Jahr sollen so 1,25 Milliarden Euro fließen, obwohl der CO2-Preis erst ab Juli eingehoben wird und damit nur eine halbe Mrd. Euro einbringen soll. Danach sollen die Einnahmen bis 2025 auf 1,7 Milliarden Euro ansteigen, ausgezahlt werden sollen in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro.

Die geplanten Steuersenkungen sollen stufenweise erfolgen: Die 2. Einkommensstufe wird von 35 auf 30 Prozent ab Juli 2022 gesenkt, die 3. Einkommensteuerstufe von 42 auf 40 Prozent ab Juli 2023. Der Familienbonus wird von 1.500 auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr ab 1. Juli 2022 angehoben. Dennoch werden auch bei der Lohnsteuer Mehreinnahmen erwartet.

Blümel verteidigt die KöSt-Senkung

Dass die Lohnsteuer-Tarife zur Jahresmitte gesenkt werden, stellt aus Sicht des Finanzministeriums kein Problem bei der Umsetzung dar. Unternehmen hätten ja eine Jahresveranlagung und könnten z.B. die Senkung von 35 auf 30 Prozent ab Juli 2022 für das ganze Jahr mit einem Mittelwert von 32,5 Prozent rechnen. Bei den Arbeitnehmern soll es zur Mitte des Jahres eine Aufrollung geben und danach wird in der Lohnverrechnung mit dem Tarif ab 1. Juli weitergearbeitet. Bei der Arbeitnehmerveranlagung könne man wie bei den Unternehmen mit einem Mischsatz für das ganze Jahr rechnen.

Eine weitere Säule der Reform ist die Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) auf Unternehmensgewinne im Jahr 2023 von derzeit 25 auf zunächst 24 Prozent gesenkt und im Jahr darauf auf 23 Prozent. Diese Maßnahmen soll für die Unternehmen im Jahr 2024 eine Entlastung um 300 Millionen Euro bringen und 2025 700 Millionen Euro. Durch das stärkere Wirtschaftswachstum sollen die KöSt-Einnahmen trotzdem steigen.

Der Entfall der Eigenstrom-Steuer für erneuerbare Energie soll im Zeitraum 2022 bis 2025 in Summe eine Entlastung von 190 Millionen Euro bedeuten, der Öko-Investitionsfreibetrag 700 Millionen Euro.

Der Gewinnfreibetrag, den natürliche Personen mit betrieblichen Einkunftsarten in Anspruch nehmen können, wird von 13 auf 15 Prozent erhöht, die daraus resultierende Entlastung auf 150 Millionen Euro geschätzt. Die Erhöhung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 1000 Euro bringt 250 Millionen Euro Erleichterung. Damit besonders energie- und CO2-intensive Unternehmen nicht zu sehr draufzahlen, soll es unter dem Titel "Carbon Leakage, Härtefall-Regelung und sonstige Maßnahmen" ebenfalls Entlastungen in Höhe von 825 Millionen Euro geben.

Blümel verteidigt die KöSt-Senkung anstelle einer stärkeren Entlastung bei den Lohnnebenkosten. "Die KöSt-Senkung hat einfach einen größeren Wachstumseffekt als andere Maßnahmen." Eine Senkung der Lohnnebenkosten käme vor allem großen Unternehmen zugute. "Die KöSt ist eine wesentlich größenneutralere Entlastung für die Wirtschaft als es die Lohnnebenkosten in der Breite wären." Außerdem werde die Senkung des Krankenversicherungsbeiträge für kleine Einkommen ohnehin eine Entlastung um ca. 700 Millionen Euro bringen, betonte Blümel.

Große Aufstockung bei Klima, Umwelt und Energie

Das Budget von Umweltministerin Leonore Gewessler ist aus der Perspektive der Grünen wohl das wichtigste am Bundesvoranschlag 2022. Im Ressort spricht man vom "größten Klimaschutzbudget, das Österreich je hatte". Und tatsächlich steigen die Ausgaben für "Klima, Umwelt und Energie" um ganze 252 Prozent (plus 1,719 Milliarden Euro auf 2,4 Milliarden ) - allerdings vor allem wegen dem hier umverteilten "Klimabonus". Plus 4,3 Prozent gibt es für die "Mobilität", und zwar auf hohem Niveau.

Im Bereich Mobilität schlägt vor allem das Klimaticket stark zu Buche. 252 Millionen Euro sind dafür im kommenden Jahr vorgesehen (102 Millionen für regionale und 150 für das österreichweite Ticket), wobei gleichzeitig 132,9 Millionen Euro aus Ticketerlösen hereinkommen sollen. Erleichtert wird die Finanzierung durch einen Rückgang der ÖBB-Zuschüsse um 209,3 Mio.Millionen Euro (laut Ministerium wegen sinkender Zinsen für die Infrastrukturinvestitionen). Mehr ausgegeben wird etwa für die Förderung emissionsfreier Mobilität (167,2 statt 30 Millionen Euro 2021). Insgesamt sind im Mobilitätsbudget 4,842 Milliarden Euro vorgesehen.

Steil nach oben gehen die veranschlagten Ausgaben der Untergliederung "Klima, Umwelt und Energie", und zwar vor allem dank des ab 2022 zu leistenden regionalen Klimabonus. Allein für diesen sind 1,25 Milliarden Euro vorgesehen.

Offen ist noch, wie dieses Geld (zwischen 100 und 200 Euro pro Erwachsenem je nach Wohnort, 50 bis 100 Euro pro Kind) an die Menschen kommen soll. Zuständig ist Gewesslers Ressort, dort stellt man eine möglichst bürgerfreundliche gesetzliche Regelung bis zum Start der CO2-Bepreisung per 1. Juli 2022 in Aussicht. "Da muss ein völlig neues System gebaut werden", hat zuletzt auch Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bestätigt: "Aber das ist nicht mein Ressort, deshalb kann ich keine Detailauskünfte geben, wie das technisch funktioniert".

Mehrauszahlungen sind auch für verschiedene Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen. Die "Umweltförderung Inland" schlägt sich mit 420,8 Millionen Euro zu Buche (plus 38,4 Prozent) zu Buche, hier ist auch die thermische Sanierung und Heizkesseltausch beinhaltet. Zusätzlich gibt es Direktförderungen im Ausmaß von 60 (mehrgeschoßiger Wohnbau) bzw. 40 Millionen Euro (Kesseltausch einkommensschwache Haushalte). 100 statt zuletzt 10 Millionen Euro sind zudem für das Kreislaufwirtschaftspaket vorgesehen. Im Gegenzug will man auch mehr einnehmen, konkret 71,8 Millionen Euro aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten.

Kogler: Arbeit der Regierung geht flott weiter

Nach der jüngsten Krise waren die Spitzen der Bundesregierung am Mittwoch anlässlich der Budgetrede bemüht, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Der neue Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hoben in Stellungnahmen vor allem die ökosoziale Steuerreform hervor. "Die Arbeit der Bundesregierung geht flott weiter", betonte Kogler vor Journalisten im Parlament.

Gefragt, wie die Stimmung in der türkis-grünen Koalition sei, die noch vor wenigen Tagen knapp vorm Aus stand, meinte Kogler: "Gut, es geht was weiter." Im Budget fänden sich die "ganz großen Leitlinien der ökologisch-sozialen Steuerreform". Es handle sich um eine "Riesenentlastung für die Menschen". Umweltschädliche Produktion und Verhalten bekämen einen Preis, die Einnahmen sollen wieder an die Bevölkerung zurückfließen. Trotz Pandemie könne man für ein nachhaltiges Budget und eine mittelfristig sinkende Schuldenquote sorgen, unterstrich Kogler außerdem in einer schriftlichen Stellungnahme.

"Mit diesem Budget stellen wir die Weichen für die Zukunft und aus der Krise heraus", befand auch Kanzler Schallenberg in einer schriftlichen Stellungnahme. "Kernstück" sei die ökosoziale Steuerreform, "mit der wir die Menschen entlasten, Anreize für klimafreundliches Verhalten setzen und den Standort stärken". Gleichzeitig schaffe man mit diesem Budget eine langfristige Reduktion der Schuldenquote, betonte auch er.

(APA/red)

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