Amanshausers Album

Von einsamen Zielen

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Welche Reiseziele ich empfehle? Lieber würde ich ja meine Bücher empfehlen.

Viele halten mich für ihren Empfehl-august, sie fragen, welche reise­führerfernen Locations ich denn ihnen anraten könnte – denn Touristen wie wir hassen es, dauernd von Touristen wie uns umgeben zu sein. Wenn ich als ­Antwort, ganz wie eine sprechende, auf mich selbst programmierte Such­maschine, auf Bücher verweise, die ich irgendwann geschrieben habe, runzeln die Fragenden ihre Stirn.

Erzähl was Neues!

Wieso sind wir nach Urlauben meist so deprimiert, Martin, gibt es nichts Besseres? Der Mediävist Valentin Groebner hat in der „NZZ“ („Urlaub ist Verzweiflung am Alltag, als Belohnung verpackt“) scharfsinnig die Enttäuschung analysiert, die viele während und nach Ferienaufenthalten verspüren – für ihn „die Ende-August-Kränkung“. Oft würden wir früheren Gefühlslagen und Konstellationen nachreisen, die wir freilich nie mehr ganz realisieren können. Echte Erlebnisse nährten sich aus Einzigartigkeit, sie würden aber von der Tourismusindustrie vorgefertigt angeboten, seien somit individuell kaum wiederholbar. Diese melancholische Diagnose fühlte auch ich. Doch übertönt sie eine andere Vorstellung – nicht der Rückkehrwunsch an Wohlfühlorte, sondern an solche, denen ich dermaßen oberflächlich begegnete, dass ein Zweitbesuchswunsch entstand. Das mofavolle Saigon der 1990er-Jahre. Das Beat-Generation-Museum in San Francisco. Werde ich das Dim-Sum-Lokal in diesem ersten Stock in Kowloon, Hongkong, je wiederfinden? (Ich würde Finderlohn zahlen!) Oder die Hauptstadt Sambias, Lusaka, die ich so gern besucht hätte, und dann noch das verlorene Lockdown-Wien in seinen allerersten Tagen . . . Es sind keine Reisetipps, meine Ziele sind einsam. In ­meinen Büchern stehen bessere, ­dutzendweise! (Ich hör’ ja eh schon auf.)

Der Historiker Groebner, in Luzern lebend, wünscht sich übrigens keineswegs das Lockdown-Luzern zurück, er handelte sich vielmehr ein kleines Trauma ein: „Die Sehenswürdigkeiten mit den geschlossenen Souvenirläden davor wirkten wie eine leere Kulisse – oder eine traurige Fototapete.“ 

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