Kovats: Absturz eines Überfliegers

(c) Michaela Bruckberger
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Beinharter Sanierer, Heuschrecke, Selfmade-Millionär: Mirko Kovats galt als rücksichtsloser, aber erfolgreicher Unternehmer. Jetzt ist sein Konzern insolvent – und sein Ruf wohl endgültig ruiniert.

Das neue Leben hat schon begonnen – und es fühlt sich wohl nicht gut an. Als der Bundesvorstand der Industriellenvereinigung am Donnerstag vergangener Woche um neun Uhr am Wiener Schwarzenbergplatz zu seiner Routinesitzung zusammentraf, fehlte ein prominenter Teilnehmer: Mirko Kovats, seit 2005 Mitglied des IV-Vorstands und bisher stets sehr engagiert. Die Einladung von IV-General Veit Sorger hatte Kovats seinerzeit als „Ritterschlag“ bezeichnet.

Kovats schwänzte nicht einfach, er hatte in der Tat Wichtigeres zu tun. Während die Elite der heimischen Industrie gepflegt über die Zukunft des Standorts parlierte, kämpfte Kovats um seine eigene und die seines Konzerns A-Tec. Der 62-jährige Unternehmer hatte am Mittwoch, einen Tag vor der IV-Sitzung, Insolvenz angemeldet. Eine am 2.November fällige Unternehmensanleihe im Volumen von 91 Millionen Euro konnte nicht finanziert werden. Außerdem wurde eine Kreditlinie über fast 800 Millionen Euro nicht verlängert (die „Presse“ berichtete).

Jetzt will Kovats selbst die Sanierung in Angriff nehmen. Noch ist allerdings unklar, ob die Gläubiger sein Angebot – eine Ausgleichsquote von 30Prozent – annehmen werden. Wenn nicht, wird der Industrielle wohl seinen Schreibtisch ausräumen und die Kommandozentrale verlassen müssen.

Kein Mitleid. Blass und sichtlich angeschlagen saß Kovats am Mittwochnachmittag vor Journalisten und kämpfte, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, um die richtigen Worte. „Ich bin sehr betroffen, es fällt mir sehr schwer“, stammelte er. Doch Mitgefühl oder gar Mitleid sollte der Mann lieber nicht erwarten. Wenn seine Schwierigkeiten beim Publikum eine Emotion auslösen, dann am ehesten Häme. Es gibt nur wenige Unternehmer im Land, die das Klischee vom rücksichtslosen Großkapitalisten ähnlich stimmig erfüllen wie Kovats. Mit den Jahren hat er deutlich mehr Feinde als Fans angesammelt. Fast alle geschäftlichen Partnerschaften endeten im Unfrieden, manche noch dazu vor Gericht. Der Mann wurde gefürchtet und respektiert, aber gemocht wurde er nie.

Kovats macht sich diesbezüglich auch keine Illusionen. Er sei „als Industrieller das natürliche Feindbild jener, die für sich die Rolle der guten Menschen gepachtet haben“, schrieb er in seinem Buch „Die Sowjets hatten recht“. Erschienen ist das Werk vor etwas mehr als einem Monat. Der Autor wusste damals natürlich, dass sein Unternehmen auf eine schwere Krise zusteuerte. Trotzdem entschied er sich zur Veröffentlichung – und rundete sein Bild in der Öffentlichkeit damit ab: Von einem „Insolvenzfall Österreich“ schrieb Kovats unter anderem, bevor er sich über die seiner Meinung nach unfähige österreichische Politik hermachte. Deindustrialisierung, schleichende Verarmung und der bevorstehende Staatsbankrott seien das Werk von „nur nach extrem kurzfristig ausgerichteten Regeln tickenden Politikern“. Österreich sei als Standort ziemlich am Ende, findet Kovats. „Und wer bei mir oder irgendeinem anderen Industriellen gegen Werkschließungen hierzulande protestieren will, ist an der falschen Adresse.“

Dass zu viel Selbstbewusstsein eine echte Bürde sein kann, zeigte sich bei der Buchpräsentation. Außer ein paar Journalisten, die sozusagen in Erfüllung ihrer Dienstpflicht erschienen waren, gab es kaum Zuhörer. Kovats hat eine teure PR-Agentur und jede Menge Mitarbeiter, die er notfalls zur Teilnahme vergattern hätte können. Doch offenbar war der Mann so überzeugt von seiner Zugkraft, dass er die Gefahr eines leeren Hauses gar nicht bedacht hatte.

Mirko Kovats wurde als Sohn ungarischer Einwanderer in Wien geboren. Über seinen Vornamen ärgert er sich bis heute; dieser gehe leider „in die Jugo-Richtung“, klagte er einmal. Mit 23 Jahren hatte er sein Wirtschaftsstudium absolviert und verdingte sich als Maschinenhändler in den kommunistischen Nachbarländern. „Osthandel“ nannte man das damals, und hinter dem Wort verbarg sich eine gewisse Geringschätzung. Der Osthandel roch nach halbseidenen Geschäften, schlecht sitzenden Anzügen und schmutzigen Bukarester Hotelzimmern. Man konnte in diesem Business gut verdienen, aber viel Renommee warf es nicht ab. Vielleicht hat Kovats in jenen Jahren seinen immensen Hunger nach Anerkennung entwickelt, der ihn bis heute umtreibt.

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks musste Kovats umsatteln und entschied sich für die Vergnügungsbranche. Gemeinsam mit zwei Partnern investierte er in mehrere Diskotheken, darunter das U4 und das Nachtwerk in Wien, sowie den Tanzpalast in Baden. Doch die Erfolge blieben aus. Der Konkurs der Korneuburger Disko „Dorian Gray“ brachte Kovats 2000 eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten wegen fahrlässiger Krida. Schon 1999 war das „A2 Südpol“ in der Shopping-City insolvent geworden. Acht Jahre später musste sich Kovats deshalb erneut vor Gericht verantworten. Lucona-Aufdecker Hans Pretterebner präsentierte dem Richter aus diesem Anlass eine dreizehnseitige Liste mit 36 Unternehmen aus Kovats' Einflussbereich, die entweder insolvent waren oder wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurden. Im August 2009 wurde das Krida-Verfahren eingestellt, den Ruf als Profi-Bankrotteur sollte Kovats aber nie mehr ganz loswerden.

Mini-Heuschrecke. Seine Laufbahn als Industrieller begann 1997 mit dem Kauf einer 50-Prozent-Beteiligung am insolventen Salzburger Maschinenbauer Emco. Es folgten der steirische Elektromotorenhersteller Austria Antriebstechnik (ATB) sowie der Anlagenbauer AE&E und die Tiroler Montanwerke in Brixlegg. Kovats sieht sich als Sanierer, der marode Unternehmen mit harten Maßnahmen wieder auf die Beine stellt. Doch in einigen Fällen hatte am Schluss nur Kovats selbst etwas von der Intervention. „Er hat nie den Beweis erbracht, dass er tatsächlich ein Sanierer ist“, meint der Anlegerschützer Wilhelm Rasinger, seit vielen Jahren ein Widersacher von Kovats. „Ich frage mich, was ihn eigentlich zum Industriellen macht.“ Auch unter Managerkollegen waren seine Methoden umstritten. Andreas Treichl, Chef der Erste Bank, bezeichnete ihn einmal als „Mini-Heuschrecke“.

Im Jahr 2003 kaufte sich Kovats um gepumpte 68,8 Millionen Euro bei der VA Tech ein und stiftete sogleich Unfrieden. Er betrieb die Ablöse von Konzernchef Erich Becker, setzte sich erst für eine Kapitalerhöhung ein, dann wieder dagegen, stockte seine Anteile auf, um sie gleich wieder zu reduzieren. Niemand wusste, was Kovats eigentlich im Schilde führte. Eineinhalb Jahre später verkaufte er seinen Anteil an Siemens weiter. Der Lohn für ein paar Monate Taktieren: 50 Millionen Euro Gewinn. Wolfgang Schüssel, damals Bundeskanzler und eigentlich ein Fan von Privatisierungen aller Art, seufzte erleichtert auf. „Mir ist Siemens lieber als der frühere Aktionär.“ Bald darauf gab es Zoff in der Schweiz, als Kovats und sein damaliger Geschäftspartner Ronny Pecik den Mischkonzern Unaxis übernahmen.

Sein Ruf vereitelte 2005 Kovats' Plan, die Bank Burgenland zu kaufen. Weil die Kritik an ihm und seinen Praktiken gar so laut geworden war, trat der Investor von seinem Angebot zurück. Nichts geworden ist auch aus dem ehrgeizigen Vorhaben, ganz groß in der europäischen Kupferindustrie mitzumischen. Mehrere Übernahmeversuche schlugen fehl.

10.000 Euro sind genug. Wie viel Geld Kovats persönlich besitzt, ist unklar, sein Vermögen wurde in einer Privatstiftung geparkt. Beim Börsegang 2006 hat er sehr gut verdient, als Zwei-Drittel-Eigentümer des A-Tec-Konzerns durch den Kursverfall jetzt allerdings viel Geld verloren. Er komme mit monatlich 10.000 Euro über die Runden, sagte er vor Kurzem in einem Radio-Interview. Das war wohl als Demonstration von Bescheidenheit gedacht. Sein Plan, ausschließlich die Anleger für die Insolvenz büßen zu lassen, dürfte aber nicht aufgehen. Ohne einen substanziellen Beitrag des Haupteigentümers – der sich vor Kurzem ein neues Flugzeug gegönnt hat – wird es wohl nicht gehen.

Falls Kovats seinen gewohnten Lebensstandard senken muss, findet er im eigenen Zitatenschatz Trost und Hoffnung: „Die Leute sind heute sehr verwöhnt“, hat er einmal gesagt, „man kann auch in Jesolo statt in Übersee Urlaub machen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2010)

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