Wer nach Rezept kocht, hat kein Eis mehr zu Hause

Beim Backen zu improvisieren, wirkt sich oft ungewöhnlich aus.
Beim Backen zu improvisieren, wirkt sich oft ungewöhnlich aus. APA
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In der Schule sind glatte Ergebnisse beruhigend. Das fällt einem ausgerechnet beim Backen ein, wofür man Nachhilfe braucht.

In unruhigen Zeiten empfiehlt sich das Lesen von Rezepten, das wurde an dieser Stelle schon einmal erwähnt. Sie haben immer ein Happy End. Zumindest in der Theorie. Außerdem kann man ein wenig Kontrolle zurückgewinnen, in einem zugegebenermaßen kleinen Teilbereich des Lebens, aber immerhin. Es sei denn, man hat keine Butter zu Hause (wie kann das passieren?) und findet durch Prof. Google heraus, dass diese durch Öl ersetzt werden kann, allerdings wegen der Dichte 20 Prozent vom Gewicht abgezogen und die fehlende Flüssigkeit durch Milch ergänzt werden muss.

Nach einer kleinen Mathematikeinheit gibt es ein Ergebnis, das einen ähnlich hoffnungsfroh stimmt wie früher, als bei der Schularbeit x = 3 herausgekommen ist und nicht 11,51. Kurze Zeit war man sogar mit 11,51 noch siegessicher, bis beim Vergleichen der Ergebnisse niemand sonst diese Zahl herausbekommen hatte.Für ein paar Sekunden wähnte man sich als jene mit dem einzigen Einser, bevor einen die Realität einholte. Es soll auch Lehrer geben, die absichtlich hässliche Zahlen als Lösung herauskommen lassen (es gibt ja keine hässlichen Zahlen), aber sie sind eine Minderheit, die meisten lassen einen leichter leben mit glatten Ergebnissen.

Warum man diesen Gedanken nachhängt, liegt daran, dass nun auch die Mandeln (bewegten sich verdächtig) durch etwas anderes ersetzt werden müssen, schnell die Freundin angerufen, die weiß alles. Sie erzählt eine ganz arge Geschichte. Und dass Brösel als Ersatz funktionieren, aber nicht 1:1. „Du brauchst ein bisschen Gespür“, sagt sie. Es ist nun schon recht spät, aber nach so viel Recherche-Aufwand will man einen Erfolg. Alles ist durch alles ersetzbar.

Vielleicht nicht immer. Der Kuchen blieb sitzen, war knochentrocken und nur mit viel Liebe und Vanille-Eis genießbar. Nun werden wieder Romane gelesen. Die schönsten Theorien sind jene, die nicht umgesetzt werden. In der Praxis braucht es dennoch die Energie, es zu versuchen. Irgendwann geht es auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2021)

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