Biodiversität

Verarmte Landschaften mit neuem Leben bereichern

David Paternoster
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Welche Lebensräume sind in einem ökologisch schlechten Zustand und müssen schnell restauriert werden? Das fanden heimische Forschungsteams in mühsamer Kleinarbeit heraus. Beginnen kann man bei Schutzgebieten und ihrer Verbindung über „grüne“ Korridore.

„Kannst dich erinnern, wie hier früher die Frösche gehüpft sind, dort die Rebhühner hochgeschreckt und da drüben die Wiese bunt geblüht hat?“ Viele Menschen beobachten den Verfall der Biodiversität – und können nun Hoffnung schöpfen, dass vergangene Schönheiten wieder aufleben. Denn die EU gab als Ziel der Biodiversitätsstrategie 2020 vor, dass in jedem Mitgliedstaat mindestens 15 Prozent der Landschaften, die in keinem guten Zustand sind, restauriert werden müssen.

In Österreich tat sich ein interdisziplinäres Team zusammen, um herauszufinden, wo man beginnen soll, um degradierte Lebensräume wieder aufzuwerten. Jede Expertengruppe kümmerte sich um ihr Fachfeld, sodass Biodiversitätsforscher der Uni Wien mit dem Umweltbundesamt und dem Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) zusammen einen ersten Plan für die sehr unterschiedlichen Ökosysteme aufstellen konnten: Wald, Gewässer, Auen, Moore und offene Landschaften haben sehr individuelle Kriterien, an denen man erkennt, ob ihr Zustand gut oder schlecht ist. So liegen für heimische Gewässer über den Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan gute Daten zur Hydrologie und Wasserqualität vor, um zu erkennen, welche Bereiche besonders schnell renaturiert und besser geschützt werden müssen.

Für Zustandsbewertungen der Waldgebiete, die 48 Prozent der Landesfläche ausmachen, helfen Daten der Österreichischen Waldinventuren des BFW. Dabei zählen u. a. die Baumartenzusammensetzung, der Anteil an Totholz und an sehr alten „Veteranenbäumen“ sowie die „Neophyten“, um klarzumachen, welche Gebiete bevorzugt behandelt werden sollten.

Das Team aus dem Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Uni Wien kümmerte sich um offene Landschaften, die Grünland, Wein-, Obst- und Ackerbau sowie siedlungsgeprägte Bereiche umfassen. Subalpine und alpine Landschaften, Moore, Auen, Fließ- und Stillgewässer bearbeiteten Fachteams des Umweltbundesamts. „Die Kulturlandschaftsgliederung unterteilt ganz Österreich in fast 14.000 abgrenzbare Einzellandschaften, die wiederum 42 Landschaftstypen zugeteilt werden“, sagt Florian Danzinger von der Uni Wien.

Eine Verbesserung von Ökosystemen kann ganz unterschiedlich erfolgen, mit gewissen Definitionen für Rehabilitation, Restauration oder Regeneration. „Die Palette ist breit gefächert: Sei es die Rekultivierung nach einem Tagebau an einer Rohstoff-Entnahmestelle, oder dass ein drainagiertes Moor wieder in einen intakten Zustand gebracht wird.“ Dringlich sind solche Maßnahmen nicht nur für die Artenvielfalt, sondern auch um des Klimaschutzes willen. „Eine restaurierte Landschaft ist deutlich leistungsfähiger“, sagt Danzinger. So kann sie etwa die durch Wind und Wasser verursachte Erosion verringern, den Hochwasserschutz verbessern oder die Verdunstung mithilfe von mehr Beschattung verlangsamen.

Mit vielen Detailkarten abgleichen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten eine Monsteraufgabe vor sich, um all die kleinräumigen Landschaftsausschnitte inklusive ihres Zustands zu bestimmen. Die Basis war eine österreichweite Karte der Lebensraumtypen, die Stück für Stück mit Detailkarten der jeweiligen Landschaftstypen abgeglichen wurde. Da gibt es etwa den Trockenrasen- und den Moorschutz-Katalog oder das Auen-Inventar. „Auch die Biotopkartierungsdaten der Bundesländer sind sehr genau. Insgesamt konnten wir die Landschaften und ihren Zustand auf Zehn-mal-zehn-Meter-Pixelgröße erarbeiten“, sagt Danzinger.

Die Empfehlung an die Behörden, wo die Renaturierung beginnen soll, lautet nun: Aufteilen! Fünf Prozent sollen bei Gebieten beginnen, die in oder an Schutzgebieten liegen, aber in schlechtem Zustand sind. Weitere fünf Prozent fokussieren auf Korridore für wandernde Tierarten, damit ein „grünes Netzwerk“ z. B. Schutzgebiete in gutem Zustand verbinden kann. „Die restlichen fünf Prozent sollen dann dort ansetzen, wo es am dringendsten nötig ist“, sagt Danzinger. Der Endbericht zur Strategie für die Priorisierung zur Wiederherstellung von Ökosystemen ist auf umweltbundesamt.at abrufbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2021)

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