Provenienzforschung

Das koloniale Erbe im musealen Schaukasten

Wie viel Kolonialgeschichte steckt in den Ausstellungsobjekten im Technischen Museum Wien? Im Bild: Schautafel
Wie viel Kolonialgeschichte steckt in den Ausstellungsobjekten im Technischen Museum Wien? Im Bild: Schautafel[ Technisches Museum Wien ]
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Das Technische Museum Wien stellt sich der eigenen Kolonialgeschichte. Im Fokus stehen Infrastrukturprojekte und Rohstoffe sowie Sprache und Verantwortung des Hauses selbst.

Vieles gibt es zu erzählen über das Puch-Niederrad aus dem Jahr 1890 mit der Inventarnummer 1419, das in der Sammlung Straßenverkehr im Technischen Museum Wien ausgestellt ist. Es gibt aber auch vieles, was bislang nicht über das erste in Österreich in Serie erzeugte Fahrrad mit Vollgummibereifung erzählt wird. Zum Beispiel, dass darin ein Stück Kolonialgeschichte steckt. Denn bis 1929, als es gelungen ist, brauchbaren synthetischen Kautschuk für die Massenproduktion herzustellen, war die heimische Fahrzeugproduktion auf natürlichen Kautschuk aus Südamerika, Zentralafrika oder Südostasien angewiesen.

Vier Museen, ein Auftrag

Spielzeug-Kaufmannsladen mit Kolonialwaren.
Spielzeug-Kaufmannsladen mit Kolonialwaren. [ Technisches Museum Wien ]

Zögerlich sind internationale Debatten zur Dekolonialisierung von ethnologischen Museen auf technik- und naturhistorische Sammlungen übergeschwappt. Rohstoffe und Produktionstechnik machen hier auf vielfältige Weise auch die kolonialen Verstrickungen Österreichs, eines Landes ohne einstige Kolonien, sichtbar.

Für die systematische Beforschung der Herkunftsgeschichte von Kunstwerken und Kulturgütern der staatlichen Sammlungsbestände ist in Österreich seit zwanzig Jahren die Kommission für Provenienzforschung zuständig. Bislang lag das Augenmerk auf der Ausforschung von Objekten, die im Nationalsozialismus geraubt wurden. Seit Kurzem hat sich die Perspektive auf die koloniale Vergangenheit erweitert. „Wir haben damit begonnen, erst einmal auszuloten, welche Sammlungen des Bundes betroffen sein könnten“, sagt die Leiterin der Kommission für Provenienzforschung, Pia Schölnberger. Die Historikerin und Germanistin ist auch Herausgeberin des kürzlich im Czernin-Verlag erschienenen Sammelbandes „Das Museum im kolonialen Kontext“, in dem der Forschungsstand zu kolonialen Provenienzen an den Bundesmuseen nachzulesen ist.

Schließlich stellten sich vier Häuser in einem einjährigen Pilotprojekt, das nun vor dem Abschluss steht, der Herausforderung: Das Naturhistorische Museum setzte sich mit seiner anthropologischen Sammlung, konkret mit menschlichen Überresten aus Feuerland sowie Neuseeland (deren Rückgabe bereits beschlossen ist), auseinander, das Museum für angewandte Kunst Wien mit den Kunsthandelsnetzwerken, die als Folge des chinesischen „Boxeraufstands“ (1899–1901) entstanden sind, und das Weltmuseum mit der Sammlung des Kolonialbeamten Emmerich Billitzer und dessen aus Ostafrika mitgebrachten Objekten.
Einen anderen Ansatz verfolgt man im Technischen Museum. „Hier geht es nicht vorrangig um einzelne Stücke und darum, ob sie in einem Unrechtskontext entnommen wurden, sondern um Rohstoff-, Wirtschafts- und Technikgeschichte sowie um Institutionengeschichte“, so Schölnberger. Und diese ist höchst komplex, wie das eingangs erwähnte Fahrradbeispiel deutlich macht. Der koloniale Konnex liegt durch die Verwendung des Rohstoffs Kautschuk auf der Hand, die Hintergründe und Orte seiner Entnahme sind jedoch unbekannt.

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