Drachen steigen lassen, spielen, herumtollen, bis Gegenstände zu Bruch gehen. Quality time mit dem Vater.
Frankfurter Buchmesse

Töchter und Väter: Und auf einmal ist Kuscheln verboten

Zärtlichkeit ist nicht gerade Teil der gängigen Vaterbilder, die uns in der deutschsprachigen Literatur begegnen. Auf der diesjährigen Longlist des Deutschen Buchpreises fanden sich zwei sehr unterschiedliche Tochter-Vater-Erzählungen von Dilek Güngör und Monika Helfer.

Hätte er gekonnt, er hätte er sie und ihre Geschwister auch gestillt, sagte Isabella Rossellini in einer TV-Dokumentation von ihrem übermächtigen Vater einmal. In den Jahren nach der Trennung von Ingrid Bergmann lebte Roberto Rossellini mit Isabella und ihren Geschwistern im Pariser Hôtel Raphael. Abseits von den Paparazzi waren es warme, behütete Jahre, so beschreibt es die Tochter. Sie hatten eine Haushälterin, die sich um sie kümmerte. Und den Vater, ihre Konstante. Er kuschelte mit ihnen, ließ sie auf seinem prallen Bauch liegen.

Als ich diesen Interview-Ausschnitt in der Dokumentation von Gero von Böhm („Aus dem Leben eines Schmetterlings“) sah, war ich sehr angerührt. Zärtliche Körperlichkeit ist sonst nicht gerade Teil der gängigen Vaterbilder, die uns in der deutschsprachigen Literatur- und Filmwelt begegnen. Vielleicht verhält es sich da mit südeuropäischen Vätern ähnlich wie im Iran und in Westasien, überlege ich, wo das Küssen und Herzen von kleinen Kindern nicht nur Muttersache sind. Meine eigene innige Beziehung zu meinem Vater kam mir immer ziemlich einzigartig vor, jedenfalls im Vergleich zu denen meiner Schul- und Kindergartenfreundinnen und deren Vätern. Die oft irritierten oder peinlich berührten Blicke von weiß-deutschen Eltern, wenn mein Vater ihren Kindern im Vorbeigehen zuwinkte oder in der Supermarktschlange seine Faust vor ihren Augen zum Spiel öffnete und schloss, in gebührendem Abstand, versteht sich, konnte ich nie vergessen. Sehr vertraut las sich für mich die Kindheitsbeziehung von Dilek Güngörs erzählendem Tochter-Ich Ipek mit deren Vater in ihrem Roman „Vater und ich“, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises steht. Als sie klein war, waren die beiden Freunde und Komplizen, tobten herum, sahen zusammen fern. Frühmorgens schlüpfte sie unter seine Bettdecke.

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