Auswertung

Hohe Nebeneinkünfte einiger EU-Abgeordneter

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Jeder vierte EU-Mandatar erhält für Nebenjobs Geld. Manche sogar weit mehr als ihr jährliches Abgeordnetengehalt.

Brüssel. Radosław Sikorski, ehemaliger polnischer Außenminister, ist durch starke Worte bekannt geworden. „Das Problem in Polen ist, dass wir einen zu flachen Stolz und eine zu geringe Selbsteinschätzung haben“, sagte er 2014 und sorgte damit für Kritik im eigenen Land. Heute sitzt der oppositionelle Politiker als Mandatar im Europaparlament und bezieht neben seinem Gehalt als Abgeordneter für Nebenjobs jährlich 588.000 bis 804.000 Euro. Er verdient damit nicht bloß mehr denn als Abgeordneter (ca. 105.000 Euro), sondern er führt auch die Spitze an Nebenverdienste aller 705 Kollegen im EU-Parlament an. 40.000 monatlich erhält er demnach für Beratungstätigkeiten. Seinem Selbstvertrauen dürfte es guttun.

Die Nichtregierungsorganisation Transparency International hat alle Nebenverdienste von EU-Abgeordneten ausgewertet und kam auf eindrucksvolle Zahlen. 27 Prozent der Mandatare besseren sich ihren Gehalt auf. Verboten ist das nicht, doch schaffen diese Einkünfte ab einer relevanten Höhe die Gefahr einer Abhängigkeit, die das freie Mandat bedroht. Etwa wenn die finnische Abgeordnete Miapetra Kumpula-Natri, wie es Transparency International ausführt, Einkünfte aus zwei Energieunternehmen erhält, gleichzeitig aber Mitglied des für Energie zuständigen Parlamentsausschusses ist. Oder wenn Abgeordnete einen erheblichen Teil ihrer Gesamteinkünfte aus einem landwirtschaftlichen Betrieb lukrieren, im EU-Parlament jedoch die gemeinsame Agrarpolitik mitgestalten, die eben diesen Geldfluss an Bauern regelt. Der genauen Quelle der Nebentätigkeiten nachzugehen, ist schwer, weil diese von den Abgeordneten nicht exakt angegeben werden müssen.

Unter den 50 Abgeordneten mit den höchsten Nebenverdiensten finden sich auch drei Österreicher: Angelika Winzig (ÖVP), Sarah Wiener (Grüne) und Barbara Thaler (ÖVP). Laut Transparency International ging es um maximal 120.000 bis 180.000 pro Jahr. „Die Presse“ ging den drei Fällen nach. Winzig verdient durch die von ihr gegründete Pulverbeschichtungs- und Farbenkonfektionierungsfirma Powder Tech Dr. Winzig GmbH hinzu. Wiener durch ihre Arbeit als Kolumnistin sowie als Vortragende. Ihr Büro weist darauf hin, dass die erwähnten Nebeneinkünfte eine zu hohe Vorausschätzung aus dem Jahr 2019 waren. Thaler bezieht Nebeneinkünfte aus ihrer Werbeagentur Digithaler sowie aus einer Funktionärsentschädigung der Wirtschaftskammer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2021)

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