Stadtentwicklung:

Smart City Graz entsteht mit fünf neuen Stadtteilen bis 2030

Die Durchmischung von Wohn- und Gewerbebauten ist eine der Charakteristiken der Smart City Graz.
Die Durchmischung von Wohn- und Gewerbebauten ist eine der Charakteristiken der Smart City Graz.[ Free Dimensions ]
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Die geplanten Gewerbebauten erzeugen nicht nur Sonnenstrom für den neuen Stadtteil, ihr enges Zusammenspiel mit der Wohnnutzung ist auch ein Garant dafür, dass das Quartier ganzjährig bespielt wird.

Eine Aneinanderreihung von brach liegenden Gewerbeimmobilien, leer stehenden Verwaltungsgebäuden bis hin zu dem Verfall preisgegebenen Industriehallen: Das Gebiet westlich des Grazer Hauptbahnhofs bot bis vor wenigen Jahren einen trostlosen Anblick. Der Start einer neuen Straßenbahnlinie in wenigen Wochen markiert nun einen entscheidenden Punkt in der Wandlung des Viertels zu einem Vorzeigestadtteil der steirischen Hauptstadt: Etwa die Hälfte der hier im Entstehen begriffenen Smart City Graz wird bereits genutzt, die endgültige Fertigstellung ist für 2025 geplant. Die Verbindung zukunftsweisender gewerblicher Nutzung mit moderner Wohnarchitektur und mit Bildungsbauten soll verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt und die Gegend an der Südbahnstrecke erneut den Launen der Konjunktur preisgegeben wird.

Innovative Energiekonzepte

„60 Prozent Wohnen, 20 Prozent Dienstleistung und Gewerbe, 20 Prozent Nebenflächen“, benennt Kai Uwe Hoffer, verantwortlicher Projektleiter in der Stadtbaudirektion, den Nutzungsmix, der im Rahmenplan festgelegt wurde und für eine gesunde Quartiersentwicklung auf den insgesamt 127.000 Quadratmetern sorgen soll. Die alten Industriebauten wurden dafür zum Großteil dem Erdboden gleichgemacht. Während das Wohnen eher an den Rändern stattfindet, konzentriert sich das Gewerbe, abgesehen von verstreut angesiedelten Nahversorgern, im Zentrum rund um die Kultur- und Veranstaltungslocation Helmut-List-Halle, die schon vor der Stadtteilaufwertung errichtet wurde und dieser als Ausgangspunkt diente. Die Gewerbebauten der Smart City wurden zum Teil als Demonstrationsobjekte für die Gewinnung nachhaltiger Energie konzipiert: Die mit Fotovoltaikzellen ausgekleidete Fassade der List-Halle trägt ebenso zur Energieversorgung des Stadtteils bei wie der futuristische Science Tower. Seine Außenhülle besteht aus Spezialglas, das mithilfe eines organischen Farbstoffs Sonnenlicht in elektrische Energie verwandelt. Untergebracht sind im zwölfstöckigen Turm Forschungseinrichtungen und IT-Unternehmen.

In unmittelbarer Nachbarschaft: ebenfalls mit Fotovoltaik ausgerüstete Büros des Motorenentwicklers AVL List. Das Unternehmen hatte nach dem Niedergang der Industrie viele der ungenutzten Flächen aufgekauft, veräußerte jedoch einen Teil dieser Liegenschaften, als das Gebiet umgewidmet und die Neugestaltung in die Wege geleitet wurde. Jenes Areal, auf dem nun die Büros stehen, verblieb im Firmeneigentum. „Wir nutzen hier die Nähe zur Veranstaltungshalle mit ihrem Catering-Service“, begründet Unternehmenssprecher Markus Tomaschitz diesen Schritt.

Prinzip der kurzen Wege

Dieses direkte räumliche Nebeneinander von Arbeit, Wohnen und Versorgung entspricht dem Prinzip der kurzen Wege, das die Stadt Graz zum Postulat ihrer Stadtteilentwicklungsprojekte erhoben hat. Ziel sei nicht nur die Hebung der Lebensqualität, sondern vor allem die Minimierung von Schadstoffemissionen durch Reduktion des Individualverkehrs, wie Hoffer betont. Dass vom Prinzip der kurzen Wege auch die Gewerbetreibenden wie etwa die Gastronomie oder Fitnesseinrichtungen profitieren, soll dazu beitragen, das Viertel mit Leben zu füllen. Das macht die Smart City für Investoren zusätzlich attraktiv. Georg Fichtinger, Head of Investment Properties beim Immobilien-Consulter CBRE Österreich: „Durch die gemischte Nutzung und die damit vorhandene Infrastruktur ist das Quartier ganzjährig bespielt – im Gegensatz beispielsweise zu Canary Wharf in London.“ Das Büroviertel am ehemaligen Hafen der britischen Metropole ist an Wochenenden menschenleer und galt wegen mangelnder Auslastung als Symbol der Immobilienkrise in den 1990er-Jahren.

Außen vor bleibt in der Grazer Smart City die produzierende Industrie. Einige metallverarbeitende Unternehmen, die einst hier ansässig waren, haben ihre Produktionsstätten zwar längst woandershin verlagert, nutzten aber ihre aufgelassenen Werkshallen hinter dem Bahnhof noch bis zur Inangriffnahme des Smart-City-Vorhabens als Lagerflächen. Mittlerweile haben sich Bauträger auch diese letzten Monumente der industriellen Epoche gesichert.

SMARTE STADT

Auf dem Areal westlich des Grazer Hauptbahnhofs wurden bis in die 1990er-Jahre unter anderem Eisenbahnwaggons gefertigt, danach waren die Industriehallen lange dem Verfall preisgegeben. Bis 2030 sollen nun insgesamt fünf Smart-City-Stadtteile entstehen. Im Umfeld der Helmut-List-Halle sollen Wohnraum, Büro- und Handelsflächen sowie Freizeitangebote miteinander kombiniert werden. Besonderen Fokus legt man auf die nachhaltige Energieversorgung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2021)

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