Unterwegs

Hope Street

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In einer Straße ist alles zu finden, was Liverpool ausmacht.

Oberhalb des Hafenviertels von Liverpool verbindet die Hope Street die mächtige anglikanische Kathedrale mit ihrer kaum weniger eindrucksvollen katholischen Konkurrentin. Dennoch ist die Straße nicht nach einer der drei Grundfesten des Christentums – Glaube, Liebe, Hoffnung – benannt, sondern nach dem Handelsherrn William Hope, einem Magnaten des 18. Jahrhunderts.

Damals war Liverpool auf dem Weg, einer der größten Häfen der Welt zu werden. Er wurde auch zum Tor in die Neue Welt: Mehr als neun Millionen Menschen entkamen zwischen 1830 und 1930 von hier aus, um speziell in Amerika eine bessere Zukunft zu suchen. Die alte Heimat versank in Massenarbeitslosigkeit, Armut und Krieg. Das hinderte Liverpool nicht daran, den Wahnsinnsbau der anglikanischen Kathedrale fortzusetzen. Bis zur Fertigstellung der achtgrößten Kirche der Welt dauerte es 74 Jahre. Selbst als militante Trotzkisten „Red Liverpool“ unregierbar machten und ein konservativer Minister meinte, Liverpool könne nur gerettet werden, wenn es dem Erdboden gleich und neu aufgebaut werde, wurde weitergebaut. Die Katholiken am anderen Ende der Straße ließen es nicht an Einsatz fehlen, den Anglikanern Paroli zu bieten.

Heute ist die Hope Street eine Vorzeigestraße Liverpools. Doch zwischen schicken Lokalen trommeln Bettler auf Parkscheinautomaten, um eine Münze herauszuschlagen. Die neue Kathedrale steht heute an der Anfield Road, wo der Liverpool FC zu Hause ist. Der Weg dorthin führt durch Gegenden, wo die Läden verbarrikadiert sind wie in Moskau nach dem Ende des Kommunismus. Doch an den Straßen flattern Plakate mit einer Botschaft: Hoffnung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2021)

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