Rücktritt

Strolz über Kurz: "Immer mehr werden sich von ihm abwenden"

Neos-Gründer Matthias Strolz
Neos-Gründer Matthias Strolz (c) Clemens Fabry, Presse
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Der Neos-Gründer rät dem Ex-Kanzler, sich noch vor Weihnachten ganz von der Politik zu verabschieden. Ex-ÖVP-Klubchef Andreas Khol sieht das anders.

„Es war eine vorhersehbare Tragödie.“ Mit diesen Worten meldete sich der frühere Chef und Gründer der Neos, Matthias Strolz, zum Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler zu Wort. Auf  Facebook erinnerte er an einen Blogeintrag, in dem er 2017 einiges vorwegnahm, was nun eingetreten ist. Überrascht von der Wortwahl in den nun publik gewordenen Chats sei er insofern nicht gewesen, sagte Strolz, der Kurz eine Zeitlang auch als Rhetoriktrainer begleitet hat, am Samstag in „Wien heute“. Allerdings: Dass die Worte „in Schrift gegossen“ wurden, sei „nicht besonders professionell“.

„Die haben sich so sicher gefühlt, dass ihnen das einfach egal war“, meinte Stolz über Kurz und dessen Vertrauten, darunter seine Pressesprecher und der frühere Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid. „Ich habe die Geisteshaltung gekannt“, verwies der Ex-Politiker auf das Jahr 2016, als er mit dem damaligen Integrationsstaatssekretär Kurz und der früheren Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Irmgard Griss, über die Gründung einer gemeinsamen Plattform verhandelt habe.

„Er war damals inhaltlich noch woanders, ich war ein Fan von ihm“, räumte Strolz ein. Allerdings: „Die Idee hab’ ich im Spätherbst 2016 abgebrochen, weil ich erkennen musste, das ist nicht integer. Hier will eine Clique von Typen einfach nur Macht, die haben keine Idee, wo sie das Land hinführen wollen, die wollen einfach nur eine Karriere.“ Letztere sei nun, jedenfalls was das Kanzleramt betreffe, wohl vorbei: „Es geht sich einfach nicht mehr aus für ihn.“, meinte Strolz und zeigte sich davon überzeugt, dass sich der ÖVP-Obmann in einem Jahr im Ausland befinden und nur noch für die Teilnahme an Prozesstagen nach Österreich kommen werde.

„Die Strafe wird groß genug sein“ 

Zugleich hielt Strolz, von 2013 bis 2018 Neos-Abgeordneter und Klubobmann im Parlament, fest: „Ich wünsche ihm persönlich alles Gute, ich will ihm da keine Steine nachschmeißen auf einer menschlichen Ebene - die Strafe wird groß genug sein.“ Gemeint ist: „Es werden sich immer mehr von ihm abwenden in der ÖVP.“ Letztlich würden „aus meiner Sicht, einige seiner ganz engen Mitstreiter ins Gefängnis wandern“ und „es wird auch gegen ihn eine Anzeige geben“, prognostizierte der Neos-Gründer.

Er empfiehlt Kurz, sich noch vor Weihnachten ganz aus der Politik zurückzuziehen, um eine Spaltung der Volkspartei zu verhindern, „ähnlich wie bei der FPÖ mit Strache“, erinnerte Strolz an die „Ibiza-Affäre“. Er habe Kurz Derartiges auch in einer SMS geschrieben, bevor er zurückgetreten ist „aus alter Verbundenheit“ gewissermaßen. Deren Inhalt: „Mach Platz, es ist vorbei, ich wünsch dir von Herzen alles Gute.“ Geantwortet habe der nunmehrige türkise Klubchef nicht: „Er wird viele SMS kriegen und er wird vorsichtig sein mit dem Antworten in diesen Tagen.“ 

„Menschen werden Kunstfigur immer mehr erkennen“ 

Freilich, räumte Strolz ein: Kurz habe natürlich ein Recht, irgendwann als Kanzler zurückzukehren, „ausgehen“ werde sich das aber wohl nicht, ortete er eine „moralische Verluderung, die unter dem Hund“ sei. Konkret: „Das ist einfach verlogen von der privaten Lebensführung bis zur Inszenierung des Kanzleramtes ist alles eine Kunstfigur und die Menschen werden das sukzessive auch erkennen.“ Was genau er damit meine, wollte Strolz auf Nachfrage von Moderator Patrick Budgen nicht sagen: „Da will ich nicht einsteigen, das ist privat. Aber nehmen wir zum Beispiel die katholische Kirche: So tun, als wäre man hochkatholisch und hinterrücks höchste Kirchenvertreter erpressen wollen, das spricht schon Bände“, spielte Strolz auf entsprechende Chatnachrichten an.

Khol ortet eine "Hexenjagd-Atmosphäre"

Tags zuvor hatte sich der frühere ÖVP-Klubchef und Nationalratspräsident Andreas Khol zur „Inseratenaffäre“ zu Wort gemeldet. Und ein gänzlich anderes Bild gezeichnet: „Man muss die Kirche im Dorf lassen", sagte der einstige Präsidentschaftskandidat am Freitag in der „ZiB2“. Es stünden „unangenehme Vorwürfe im Raum“, von denen allerdings nichts bewiesen sei. Auch der Ethikrat der Volkspartei orte eine Frage der politischen Moral, nicht aber die einer rechtlichen oder politischen Verantwortung, meinte Khol.

Die aus dem Kontext gerissenen „Fetzen-Botschaften aus dem Telefon“ könne niemand akzeptieren, räumte Khol zwar ein, hielt aber fest: Kurz habe sich für diese entschuldigt und gemeint, dass er sie in der Art heute nicht mehr schreiben würde. Dass sie überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt seien, sei eines Rechtsstaates unwürdig, befand Khol.

Auf einen Blick

Gegen Sebastian Kurz (ÖVP) wurden jüngst Vorwürfe der Falschaussage im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, sowie der Untreue und Beihilfe zur Bestechlichkeit laut, weshalb die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt. Obwohl die Unschuldsvermutung gilt, verlangte der grüne Koalitionspartner - nach Publikwerdung von Chatnachrichten und Hausdurchsuchungen u.a. im Kanzleramt - eine „untadelige Person“ als Regierungschef.

Kurz kam den Rufen am 9. Oktober nach: Er trat als Kanzler zurück, blieb aber Bundesparteichef der ÖVP und wurde deren Klubobmann im Parlament. Den Posten als Regierungschef übernahm mit 11. Oktober der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg.

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