Leitartikel

Hätte die ÖVP doch nur einen Ethikrat

Georges Schneider/picturedesk
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Die Justiz muss strafrechtliche Vorwürfe klären. Doch das Strafrecht kann nicht die einzige Richtschnur für politisches Handeln sein.

Stellen wir uns vor, die ÖVP hätte einen Ethikrat mit der Aufgabe, Verfehlungen des politischen Personals aufzuzeigen und Konsequenzen einzufordern. Im Moment wäre das eine sehr nützliche Institution, und ihre Stellungnahme zur aktuellen Situation würde in etwa so lauten:

„Wir sind mit schweren strafrechtlichen Vorwürfen gegen unseren Parteiobmann und etliche seiner engsten Mitarbeiter konfrontiert, ihnen wird Untreue und Bestechlichkeit sowie die Beihilfe dazu vorgeworfen. Es ist die Aufgabe der unabhängigen Justiz, diese Vorwürfe aufzuklären, da wollen wir uns nicht einmischen. Sollte es zu Verurteilungen kommen, müsste es selbstverständlich Konsequenzen auch personeller Natur geben. Bis zu einer Entscheidung gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Aber das Strafrecht ist nicht die einzige Richtschnur, die es im politischen Geschäft zu beachten gilt, es gibt auch noch die Ebene der politischen Moral, und für die sind wir zuständig.


Leider zeigen die im Strafverfahren bekannt gewordenen Chats ein desaströses Bild eines Zirkels rund um den Parteivorsitzenden: Allein wie in einer generalstabsmäßig geplanten Aktion versucht wurde, Reinhold Mitterlehner zu desavouieren, entspricht nicht unseren Grundsätzen, wie Politik gemacht wird. Selbstverständlich kann man mit der Arbeit des Vorsitzenden unzufrieden sein und versuchen, diesen abzulösen. Unsere demokratischen Parteistrukturen bieten alle Möglichkeiten dafür. Und uns ist auch klar, dass es dabei nicht immer nobel zugeht, Politik ist kein Ponyhof. Aber die Arbeit der Bundesregierung bewusst zu sabotieren, damit der Parteivorsitzende schlecht dasteht, und falsche Umfragen zu lancieren, um den Führungswechsel zu beschleunigen, das widerspricht allen unseren moralischen Grundsätzen.

Bleiben wir bei den Umfragen: Die Justiz muss klären, ob tatsächlich Steuergeld im Interesse unserer Partei verwendet wurde. Was aber auch schon aus den vorliegenden Chats klar hervorgeht, ist die Fälschung von Umfrageergebnissen. Das bleibt strafrechtlich möglicherweise ohne Folgen, ist aber trotzdem inakzeptabel. Erstens, weil das unseren moralischen Grundsätzen widerspricht, zweitens, weil es unsere Bewegung angreifbar macht. Wir haben uns bei der Nationalratswahl 2017 zu Recht über die „Silberstein-Methoden“ der SPÖ beschwert, als eine gefakte ÖVP-Fanseite produziert wurde. Doch gefakte Umfragen sind mindestens ebenso schlimm wie gefakte Fanseiten.

Und dann wäre noch die menschenverachtende Rhetorik in diesen Chats zu thematisieren: Jemanden einen ,Arsch‘ zu nennen geht natürlich nicht, mag aber damit entschuldbar sein, dass es sich um eine interne Kommunikation handelt. Doch ausgerechnet einen Kirchenvertreter unter Druck zu setzen und sich dann darüber lustig zu machen, wenn das Wirkung zeigt, zeugt von mangelnden menschlichen Qualitäten – sowohl bei dem, der die Aktion setzt, als auch bei dem, der sie gut findet. Um unseren Bundespräsidenten zu zitieren: ,So sind wir nicht.‘

Eine Randbemerkung sei uns noch erlaubt: In den vergangenen Wochen gab es zwei Pressekonferenzen, die einen Tiefpunkt unserer Partei markieren. Da wurden kaum verklausuliert Hausdurchsuchungen angekündigt und die Betroffenen aufgefordert, Beweismittel zu vernichten. Wir haben uns verhalten wie eine kriminelle Organisation, die ihre Spießgesellen öffentlich warnt. So sind wir schon gar nicht und so dürfen wir nie sein.“

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