Expertentalk mit Heinz Faßmann, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Rainer Nowak, Chefredakteur "Die Presse", Sabine Seidler, Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz, und Helmut Fallmann, Gründer und Mitglied des Vorstands der Fabasoft AG.
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Die Digitalisierung als Kulturtechnik

Expertentalk. Die Digitalisierung stellt eine große Herausforderung für Technische Hochschulen dar. Was braucht es für eine zeitgemäße und interdisziplinäre Ausbildung sowie für mehr unternehmerische Ausgründungen von Forschungsprojekten?

Sind unsere Technischen Universitäten noch zeitgemäß aufgestellt? Das Motto des Expertentalks war zugleich die Eingangsfrage von Moderator Rainer Nowak, Chefredakteur „Die Presse“. „Wir haben nicht zu wenig Exzellenz, was nicht bedeutet, dass wir nicht noch viel mehr brauchen könnten. So wie wir mehr Absolventen benötigen, die aber nicht unbedingt nur von den Universitäten kommen müssen“, meint Sabine Seidler, Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz. Den Mangel an Absolventen, sei es von den HTL, Fachhochschulen oder Universitäten, beklagt auch Helmut Fallmann, Gründer und Mitglied des Vorstands der Fabasoft AG: „Es waren noch nie so wenige wie jetzt. Aber wir haben einen ganz dringenden Bedarf an gut ausgebildeten Spezialisten, um international konkurrenzfähig zu bleiben.“

Für Heinz Faßmann, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, gibt es dafür eine logische Erklärung: „Die Babyboom-Generation geht in Pension, die nachkommenden Geburtskohorten sind zu wenig. Wir stehen mitten in einem demografischen Wandel, der auf dem Arbeitsmarkt zu einem Gezerre um Köpfe führt.“ Das betreffe alle Bereiche: An den Schulen fehlen die Lehrer, im Gesundheitswesen die Ärzte und Pflegekräfte und in technischen Berufen die Fachkräfte.

Suche nach Fachkräften

Wie ist dieser Mangel künftig zu beheben? Was die Technischen Universitäten betrifft, sieht Sabine Seidler in der Digitalisierung einen Schlüsselfaktor: „Unsere größte Herausforderung besteht derzeit darin, die Digitalisierung in die Fächer zu bringen. Weil Digitalisierung sorgt für die Verknüpfung von Informatikkompetenz und Fachkompetenz“, so Seidler. Wichtig sei es zudem, die ausgezeichneten universitären Forschungsergebnisse noch stärker in die Anwendung zu befördern: „Wir sehen Universitäten als Teil eines Wertschöpfungssystems. Die Kooperation mit Unternehmenspartnern aus der Wirtschaft ist von großer Bedeutung.“

Helmut Fallmann kann beide Ansätze nur unterschreiben: „Die Digitalisierung ist essentiell, sozusagen eine Kulturtechnik, die Studierenden parallel zu ihrer jeweiligen Leidenschaftsdisziplin beigebracht werden sollte. Und genauso wichtig ist die enge Verzahnung von Wissenschaft, Ausbildung und Wirtschaft.“ Dafür gäbe es auch internationale Vorzeigebeispiele, an denen man sich in Österreich orientieren könne, wie etwa die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (kurz RWTH Aachen), ihres Zeichens die größte Universität für technische Studiengänge in Deutschland.

Neue TU in Oberösterreich?

Bei der Suche nach einer Ausbildung für die künftigen Architekten der Digitalisierung plädiert Fallmann für eine neue Technische Universität in Oberösterreich: „Nur echter Fokus bringt Erfolg. Diese neue Einheit sollte in erster Linie auf Interdisziplinarität, Internationalität bezüglich der Lehrenden, Studierenden und Forscher sowie auf eine intensive Nähe zu Wirtschaftsunternehmen setzen.“ Zum letzten Punkt könnte sich der Fabasoft Vorstand zum Beispiel Studiengänge vorstellen, die mit speziellen Entrepreneurship-Semester gekoppelt werden, bei denen Vertreter internationaler Unternehmen den Studierenden vermitteln, was Unternehmergeist bedeutet und wie man Ideen erfolgreich auf den Markt bringt. Auch Bundesminister Heinz Faßmann kann der Idee einer solchen neuen Universität Positives abgewinnen: „Mit einem hohen Ausmaß an Internationalität würde man für Strahlkraft sorgen. Ich sehe das Bild einer mit der (Wirtschafts-)Umwelt atmenden Technischen Universität, an der beispielsweise Professoren auch nach einigen Jahren in die Wirtschaft wechseln und vice versa.“

Laut Faßmann wäre der Technologietransfer Teil der DNA der neuen Uni, die somit auch ein Gewinn für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich und Österreich darstellen könnte. Eher skeptisch steht hingegen ­Sabine Seidler diesem Plan gegenüber: „Mich stört die Vorstellung, eine neue Technische Universität für Digitalisierung zu kreieren, wenn wir doch bereits gute Universitäten haben, an denen wir Internationalität, Interdisziplinarität und Digitalisierung gerade mit Nachdruck implementieren.“ Zudem sei die Idee einer extrem interdisziplinär aufgestellten Universität insofern seltsam, weil es die dafür notwendigen interdisziplinären Experten noch gar nicht gibt: „Das ist wie das Pferd beim Schwanz aufzuzäumen. Mein Ansatz ist, diese gesuchten Experten erst einmal zu entwickeln, bevor man Neues um des Neuen Willen macht.“

Faszination wecken

Einig sind sich die Experten, dass in Anbetracht der unaufhaltsam fortschreitenden Digitalisierung die gesamte Bevölkerung für diese „Kulturtechnik“ gewonnen werden sollte – und das so frühzeitig wie möglich.

„Wir müssen schon Kinder für die Welt der Algorithmen begeistern und das Interesse für Informatik bereits in Kindergärten und Volksschulen wecken. Und wir brauchen mehr Frauen in der Technik. Das heißt übersetzt: Wir brauchen das Interesse der Mädchen“, so Fallmann. Dass sowohl das Interesse als auch das technische Talent bei Mädchen vorhanden ist, weiß Sabine Seidler aus der Erfahrung der Kinderunis: „Bis zum 12. Lebensjahr gibt es bei der Technik­affinität zwischen Mädchen und Burschen kaum einen Unterschied. Studien zeigen, dass wir die Mädchen in der Pubertätsphase verlieren. Das Feuer muss also im fortgeschrittenen Schulleben neu angefacht werden.“ Zu vermitteln gelte es einerseits: Technik macht Spaß. Andererseits müsse kommuniziert werden, dass man mit Technik die Welt verändern kann, weil junge Menschen damit besonders gut anzusprechen sind.

Auch für Heinz Faßmann ist die Steigerung der Erwerbsquote von Frauen in technischen Berufen ein wesentlicher Punkt: „Da haben wir noch sehr viel Potenzial und dafür gilt es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, nicht zuletzt mit Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie begünstigen. Wie gut das funktioniert, weiß Helmut Fallmann übrigens aus Erfahrung: „Seitdem wir unseren hervorragend geführten Betriebskindergarten haben, ist der Zustrom an Frauen in unser Unternehmen messbar gestiegen.“

Schnittstelle Wirtschaft

Angesprochen wurde im Expertentalk auch das Thema der Unternehmensgründungen. „Unsere Aufgabe als Universität sehen wir darin, für Mitarbeitende mit kreativen Ideen und dem Wunsch nach Selbständigkeit den Rahmen zu ermöglichen“, sagt Sabine Seidler und nennt das ­Beispiel der Inkubatoren, die Studierenden und Lehrenden unter anderem Entrepreneurship vermitteln. Herausfordernd sei dabei die Finanzierung: „Es gibt Förderprogramme, aber wir haben leider nicht die Mittel und Möglichkeiten wie etwa eine ETH Zürich, in deren Umfeld viele Unternehmen die Uni-Projekte beobachten und auch mitfinan­zieren.“
Dass es für eine erfolgreiche Schnittstelle Universität-Wirtschaft neben finanziellen Möglichkeiten auch „Übersetzungsarbeit“ braucht, betont Heinz Faßmann: „Die Ansprüche von Forschern an der Uni und Partnern aus der Unternehmenswelt liegen bei gemeinsamen Projekten oftmals diametral auseinander. Während Unternehmen schnelle Lösungen in Form von markttauglichen Produkten wollen, sind die Wissenschaftler an einer zeitintensiven Grundlagenforschung und einem für ihre Karriere wichtigen Journal Review interessiert.“ Um gemeinsame Perspektiven zu entwickeln, benötige es deshalb gegenseitige Toleranz, Verständnis und „Übersetzer“, die hier vermitteln können.

Das Problem der Finanzierung von Unternehmensgründungen sieht Helmut Fallmann differenziert: „In Österreich werden Jungunternehmer bei der Gründung großzügig gefördert und gehen später unter, weil sie nicht verstehen, wie sie Umsätze generieren sollen. Da tut es mir Leid um das Steuergeld.“ Die Härte des Gründens sei schließlich eine gute Schule für das Unternehmerleben und sollte nicht im Wattebausch der Gründungshilfe zu sehr eingebettet werden. Fallmanns alternativer Vorschlag: „Das Geld sollte besser an den Universitäten investiert werden, um die Menschen so lange mit Fördermittel zu begleiten, bis ihre Ideen so weit gediehen sind, dass von einer Marktreife die Rede ist.“

Open Science

Wichtig ist Fallmann zudem, dass nur mit Steuergeld gefördert wird, wenn die in Kooperationen von Universität und Unternehmen generierten Ergebnisse auch für alle zugänglich sind. Open Source lautet das Prinzip und Schlüsselwort, von Open Science spricht in diesem Zusammenhang Sabine Seidler: „Das ist ein wichtiges Thema, das uns sehr beschäftigt. Forschungsdaten sollten unbedingt und auch länderübergreifend für alle zur Verfügung gestellt werden, und das über Jahrzehnte.“

INFORMATION

Die Seite beruht auf einer Medienkooperation mit der „Presse“ und ist entstanden mit finanzieller Unterstützung von Fabasoft AG.

„Es geht um den zukünftigen Wohlstand Europas“

Fabasoft-Mitgründer Helmut Fallmann:"Wir benötigen mehr selbstbestimmte IT-Architekten.“
Fabasoft-Mitgründer Helmut Fallmann:"Wir benötigen mehr selbstbestimmte IT-Architekten.“(c) Nik Fleischmann

Herr Fallmann, Sie gelten als Verfechter einer neuen Digitaluniversität am Standort Linz. Warum?

Linz erlebte in den 1980er- und 90er-Jahren eine Blütezeit der Informatik. Die JKU war bestens vernetzt mit der ETH Zürich und pflegte einen guten Austausch auch auf Ebene der Professoren. Leider wurde dann in ganz Europa Informatik bloß als Coding gesehen, das man getrost den Indern und den Amerikanern überlassen könne. Ein Irrweg. In gewisser Weise wünsche ich mir also die goldenen Zeiten zurück.

Ist man mit der HTL Leonding, der JKU und der FH OÖ nicht gut genug aufgestellt?

Das sind drei wichtige Säulen, aber von der Weltspitze wie bei einer ETH Zürich oder einer TU München sind wir weit weg. Außerdem ist ja der entscheidende Punkt, dass so eine neue TU nicht ein „More of the Same“ sein soll. Die Ausbildung müsste generalistischer und interdisziplinärer und internationaler angedacht werden, um Absolventen zu schaffen, die in der Lage sind, den gesamten digitalen Wertschöpfungsprozess und digitale Geschäftsmodelle entwickeln zu können. Es muss dabei möglich sein, dass jeder, der einen Bakk-Abschluss hat, an der neuen Uni in Linz einen Digitalmaster macht, egal aus welcher Disziplin er kommt.

Digitalisierung als Querschnitts­thema der TU?

Genau. Wir sollten nicht Gefangene einer Disziplin „heranzüchten“, sondern selbstbestimmte IT-Architekten, die die Zusammenhänge unserer komplexen Wissensgesellschaft erkennen und daraus mit digitaler Ingenieurskunst neue, kreative Lösungen entwickeln. Man darf nicht vergessen, in welcher Zeit wir leben. Softwareentwickler werden mit jedem Tag wichtiger. Software definiert den zukünftigen Wohlstand Europas. Und wenn diese Software aus Asien oder Amerika kommt, werden wir in Europa weniger Wohlstand haben. Wenn Europa die digitalen Markterfolge der USA und Asiens aufholen will, braucht es mehr softwaredominierte Unternehmen, und das heißt auch die Unterstützung sowie Umsetzung von an Hochschulen entstehenden Innovationen. Genau diesen Weg könnte man mit der neuen Technischen Universität mit den Schwerpunkten Digitalisierung und digitale Transformation fördern.

Das bedeutet, Entrepreneurship zu vermitteln?

Selbstverständlich. Der wirtschaftliche Zugang und der Unternehmergeist sollten eine tragende Säule der Digitaluni sein. Erfolgreiche Wissenschafts-Wirtschafts-Kooperationen ermöglichen den Zugang zum Know-how der Spitzenforschung, fördern Synergien und spielen für Standortentscheidungen und in der Regionalpolitik eine wesentliche Rolle. Ich hoffe stark, dass es gelingt, diesbezüglich in absehbarerer Zeit endlich das 21. Jahrhundert einzuläuten. Allerspätestens dann steht der TU Linz als europäischer Kristallisationspunkt für digitales Entrepreneurship nichts mehr im Wege.

INITIATIVE #NEXTLEVEL

Im Rahmen der #nextlevel-Initiative ­werden Entrepreneure gesucht, die den nächsten Wachstumsschritt mit der Fabasoft AG als Partnerin gehen wollen. Folgende Kriterien sollten Interessierte erfüllen:

• Die Unternehmer tragen die Verantwortung für ihren Betrieb, haben eine aktive Position und sind maßgeblich für das bisherige Wachstum verantwortlich.
• Sie tragen das wirtschaftliche Risiko und halten wesentliche Anteile am Unternehmen.
• Der Unternehmenssitz liegt in der DACH-Region oder im benachbarten Ausland.
• Der Umsatz beträgt ab rund zwei Millionen aufwärts.
• Die digitalen Lösungen sollen Optimierungen für Dokumenten-intensive Branchen bringen.

Bewerbung:
Wenn Sie Interesse an einer Fabasoft-Kooperation haben, dann richten Sie ein E-Mail an unseren Partner EY Österreich: nextlevel@at.ey.com.
Sie können sich unter ­
nextlevel@fabasoft.com 
auch direkt an Fabasoft wenden.
Ihre Diskretion wird gewahrt!

Mehr Informationen unter:
diepresse.com/nextlevelinitiative

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