Amtsunfähigkeit

Tschechien stellt Weichen für Entzug von Präsident Zemans Vollmachten

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Senatsausschuss hält Bedingungen für die Übertragung der Kompetenzen an den Premier und den Parlamentspräsidenten für erfüllt. Beide Parlamentskammern müssten noch die Amtsunfähigkeit des schwer erkankten 77-Jährigen feststellen. Das dürfte aber erst Anfang November erfolgen.

Angesichts des überaus schlechten Gesundheitszustands von Staatspräsident Miloš Zeman (77) - Details dazu sind indes bisher nicht bekannt - stellt sich Tschechien auf die zumindest vorübergehende Übertragung seiner Vollmachten an den Chef des Abgeordnetenhauses und den Regierungschef ein.

Am Dienstag tagte der Verfassungsausschuss des Senats dazu und kam zum Entschluss, dass die Bedingungen für die Aktivierung von Artikel 66 der Verfassung erfüllt seien. Dieser regelt, dass im Fall einer schweren Erkrankung bzw. Amtsunfähigkeit die Kompetenzen teils an den Premier, teils an den Parlamentspräsidenten übergehen, diese Amtsunfähigkeit aber von beiden Kammern des Parlaments - also dem Abgeordnetenhaus und dem Senat - erst festgestellt werden muss.

Laut Artikel 66 fallen danach dem Premierminister die Kompetenzen etwa zur Vertretung des Staates nach außen, zur Ratifikation völkerrechtlicher Verträge und als Oberbefehlshaber des Militärs zu - dem Parlamentschef etwa die Ernennung und Absetzung von Regierungsmitgliedern, die Auflösung des Abgeordnetenhaus, die Ernennung von Richtern und die Unterzeichnung der Gesetze.

Sehr schlechte Gesundheitsprognose

„Der Gesundheitszustand erlaubt dem Staatspräsidenten nicht, sein Amt zu kontrollieren, und die Prognose ist so, dass er nicht einmal in einigen Wochen zur Amtsausübung zurückkehren wird können", sagte Senator Zdenek Hraba nach der Sitzung des Ausschusses. Der Ausschuss ging dabei von den Informationen der behandelnden Ärzte vom Montag aus, wonach Zeman zur Zeit amtsunfähig sei, und dass die langfristige Prognose bezüglich seines Gesundheitszustandes „äußerst unsicher" sei.

Vieles deutet darauf hin, dass der Senat die Amtsunfähigkeit am 5. November beschließt. Nach der konstituierenden Sitzung des neuen Abgeordnetenhauses am 8. November, das aus der kürzlichen Parlamentswahl hervorging, könnte das auch das Unterhaus machen. Im Senat sowie dem künftigen Abgeordnetenhaus haben oppositionelle Parteien die Mehrheit, die Zeman kritisch gegenüberstehen.

Auf die Verhandlungen über die künftige Regierung hat die Causa zunächst keine Auswirkung. Die zwei siegreichen liberal-konservativen Wahlbündnisse, die 108 Stimmen im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus haben werden, beraten sich schon untereinander. Dazu brauchen sie offiziell keinen Auftrag des Staatschefs.

Die Rolle des Präsidenten wird erst dann unumgänglich sein, wenn die bisherige Regierung von Premier Andrej Babiš nach der konstituierenden Sitzung des Abgeordnetenhauses zurücktritt. Der Staatschef muss die Demission annehmen. Außerdem muss er den neuen Premier und seine Minister angeloben. Diese konkrete Vollmacht würde im Falle der Aktivierung des Verfassungsartikels 66 an den Chef des Abgeordnetenhauses gehen.

(APA)

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