Geburtstag

Von Schubert bis Sex: Facetten, die uns an Jelinek reizen

Wie die Nobelpreisträgerin über Sex schreibt, Horror erzeugt, Schubert liebt und anderes mehr: Elfriede Jelinek wird heute 75 – „Die Presse“ gratuliert ihr mit fünf sehr persönlichen Liebeserklärungen.

Die Stimmen-Imitatorin: Bei Jelinek lernt man, wie Sprache funktioniert

Beim Versuch, die Dichterin Elfriede Jelinek zu verstehen, greifen Kritiker gern zu Metaphern: Text-Gebirge türme sie auf. Zugleich wird ihr oft eine gewisse Monomanie unterstellt. Als sie 2004 den Nobelpreis für Literatur erhielt, begründete die Jury ihre Entscheidung ebenfalls im übertragenen Sinn; gepriesen wurde Jelinek für den „musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen“ in Romanen und Dramen. Die Leser sollten also ins Gebirge gehen, über den Wort-Fluss und in die Märchen-Wälder, um ihr Werk zu begreifen.

Ein drittes Bild sei noch erlaubt: Den andauernden Erfolg von Martin Luthers Bibelübersetzung kann man auch damit erklären, dass er „dem Volk aufs Maul“ schaute. Das macht diese Dichterin ebenfalls. Sie ist eine geniale Stimmen-Imitatorin, belauscht nicht nur das Volk, sondern auch die Herrschenden, beherrscht die Sprach-Klaviatur, bedient sich dabei aller nur möglichen Varietäten. Sie reichen von den verführerischen Methoden der Werbung bis zu den führenden Philosophen. Sie spinnt ihren Erzählfaden wie Penelope, die auf die Heimkehr des Odysseus wartet (Jelinek ist nicht nur bibelfest, sondern auch erfahren in anderen antiken Stoffen). Sie nimmt ein Gewebe, trennt es nächtens auf und webt den Text danach wieder neu. Dabei zeigt sie den Lesern, wie Sprache funktioniert. Die ist bei ihr tatsächlich komplex. Während es relativ leicht gelingt, einen wütend übertreibenden Autor wie Thomas Bernhard nachzumachen, fällt das bei Jelinek wesentlich schwerer.

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