Pizzicato

In weiter Ferne, so nah

In der Nachkriegszeit brachte Gerd Ruge als Korrespondent die ferne Welt in die deutschen Wohnzimmer.

Er erfand das TV-Auslandsmagazin „Weltspiegel“, und meist war er nah dran an den Menschen, über die er berichtete – ob aus den Schluchten des Balkans, dem Dschungel Zentralafrikas oder der sibirischen Taiga.

Dass die Reporterlegende der ARD, die neulich im Alter von 93 Jahren starb, nuschelte, störte die Zuschauer nicht wirklich. Umso konzentrierter lauschten sie seinen Reportagen – mit Pelzmütze vom Roten Platz in Moskau über den Kalten Krieg oder unter dem Schock des Attentats auf Robert Kennedy 1968 aus dem Ambassador Hotel in Los Angeles, als ihm die Stimme stockte. Oder vom Newport Festival, als Bob Dylan den Lautstärker aufdrehen ließ.

Es waren große Zeiten des Journalismus ohne Kurz-Nachrichten und Twitter, die auch Wes Anderson im neuen Film „The French Dispatch“ einfängt – eine Hommage an den „New Yorker“, die indessen in Paris spielt. In Frankreich ersann Asterix-Zeichner Albert Uderzo übrigens ein letztes Abenteuer, das die Gallier in ein fremdes Land von Eis und Schnee entführt – ins Imperium der Steppen-Nomaden der Sarmaten, in dem der „Greif“, halb Adler, halb Löwe, regiert. Ein versunkenes Reich, in das selbst der unprätentiöse Russland-Kenner Gerd Ruge nie den Fuß hingesetzt hat. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2021)

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