Morgenglosse

Gernot Blümel – ein Kurz-Getreuer, der sich von Kurz emanzipiert

Im Schottenstift (!) hat der eigentlich durch und durch türkise Wiener Stadtparteichef am Mittwoch Abend eine Grundsatzrede abgeliefert. Wandelt er auf des Schwarzen Reinhold Mitterlehners Spuren? Und: Wo blieb Sebastian Kurz?

Selten war die inflationär verwendete Formulierung passender: Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Wenn nämlich Finanzminister Gernot Blümel, Wiens türkiser Parteichef und seit vielen Jahren einer der engsten politischen Vertrauten von Sebastian Kurz, eine Rede zur Lage der Nation, pardon, zur Lage Wiens im Schottenstift hält. Ausgerechnet dort!

Dort, am Gründungsort der schwarzen ÖVP, wo Reinhold Mitterlehner, bevor er von Sebastian Kurz zur Seite getreten wurde, eine große Rede zum 70. Geburtstag der Partei gehalten hat. Ist das Türkis jäh verblasst? War türkises Marketing gestern? Wo blieb vor allem auch der Bundesparteichef, Sebastian Kurz also?

Kein Kasperl

Eine Rede ohne großen Firlefanz mit betont traditioneller, nüchterner Inszenierung hat Gernot Blümel an diesem Mittwochabend hingelegt, einbegleitet eben nicht von Sebastian Kurz, sondern vom schwarzen Urgestein Wolfgang Schüssel. Dass Blümel die Zukunft des Mittelstandes als die große soziale Frage unserer Zeit sieht, überrascht. Wäre aber wenigstens ein Anstoß für eine lohnende politische Debatte abseits des Tagesgeklingels. Auf dünnes Eis begibt er sich, wenn er die schweigende Mehrheit jener anspricht, die als „normal“ gelten, denen aber die Anerkennung verwehrt werde. Gibt es dann auch „Abnormale“ und wer wären die, fragt man sich unwillkürlich.

Der betont nüchterne Politiker Blümel sagt auch, er brauche „keinen Kasperl“, der ihn regiert, und über sich selbst meint er: Er sei in die Politik gegangen, um zu gestalten, nicht um zu gefallen. Er wolle genau das tun, was er für notwendig erachte, nicht, was populärer ist.

Ungerecht oder nicht, aber Bezüge zu Sebastian Kurz herzustellen drängt sich dieser Tage auf. Was jedenfalls offensichtlich ist: Ein langjähriger Mitkämpfer an der Seite des Ex-Bundeskanzlers beginnt sich von diesem zu emanzipieren.

Und: Da zeigt jemand auf. Gernot Blümel braucht Wien als Basis und womöglich Rückzugsort, um politisch tätig zu bleiben. Dass Wien auch ihn, seine Ideen braucht, muss er künftig mehr zeigen. Auch und gerade in der Post-Kurz-Zeit. So es die denn gibt.

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